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Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille
Autoren: Peter Mayle
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nickte zustimmend, bevor er antwortete. »2010 wurde Marseille zur Europäischen Kulturhauptstadt des Jahres 2013 gewählt mit dem Ziel, die ›Entwicklung zu beschleunigen‹, wie es im offiziellen Sprachgebrauch hieß. Ich denke, das gab letztlich den Ausschlag. Wie dem auch sei, öffentliche Ausschreibungen und Ideen für die Erschließung der Bucht waren willkommen, und dre i V orschläge kamen schließlich in die engere Wahl. Einer von ihnen – der beste meiner Meinung nach – stammt von mir. Außerdem muss man wissen, dass meine beiden Konkurrenten einen Nachteil haben: Sie sind Ausländer, vertreten eine Interessengemeinschaft aus Paris und ein englisches Konsortium. Keiner von beiden hat auch nur einen Funken Fantasie gezeigt. Beide wollen Hotels bauen, gigantische Bettenburgen mit allen Schikanen des modernen Lebens – Swimmingpool auf dem Dach, Wellnessoase, Shoppingmall der Luxusklasse, immer das gleiche geistlose Konzept. Ganz nach dem Geschmack der Touristen, aber weniger erbaulich für die Bewohner von Marseille. Und was die Bauweise betrifft, so würden damit nur die nächsten hässlichen Glas-und-Beton-Klötze hochge zo gen.« Er wischte den letzten Rest Avocadopüree mit einem Stück Brot von seinem Teller und tupfte den Mund mit der Serviette ab.
    »In L. A. gibt es auch einige von der Sorte«, meinte Elena. »Und was schwebt Ihnen vor?«
    »Ach, etwas für die Marseiller. Eine Wohnanlage – mit niedrigen Häusern, maximal dreistöckig – inmitten terrassierter Gärten, die zum Meer hinunterführen. Und ein kleiner Hafen, nicht für die protzigen Jachten, sondern für die kleinen Boote, die sich vielleicht im Besitz ortsansässiger normaler Sterblicher befinden. Ich kann Ihnen ein maßstabgerechtes Modell des Projekts zeigen, sobald wir in Marseille sind.« Er runzelte die Stirn und blickte von Sam zu Elena. » Et voilà. Was halten Sie davon?«
    »Klingt erheblich besser als Betonklötze«, erwiderte Sam grinsend. »Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mehr dahintersteckt als Architekturpläne.« Er lehnte sich zurück, während der Ober mit dem Hauptgang erschien. Tatsächlich schien ihm diese Angelegenheit eine Spur zu harmlos, um vollständig wahr zu sein.
    Reboul seufzte. »In der Tat. Es gibt da nämlich ein kleines Problem.« Er betrachtete den Teller, der vor ihm landete, dann senkte er den Kopf, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen und atmete tief den Duft ein. »Aber bevor ich erkläre, worum es geht, sollten wir uns mit diesem vortrefflichen Kaninchen befassen.«
    Dem vortrefflichen Kaninchen wurde die gebührende Aufmerksamkeit zuteil, der Beckstoffer Cabernet gekostet, in höchsten Tönen gelobt und abermals gekostet, und die Unterhaltung wechselte von der Weinherstellung zu den Reizen von Cassis (einer kleinen Hafenstadt in Marseilles benachbartem Weinanbaugebiet) und schließlich zu Elenas neuester Marotte. Sie hatte unlängst ein Weinseminar abgeschlossen und war von einem reichlich herablassenden Kursleiter in jenes überladene Fachvokabular eingeweiht worden, für das Weinexperten bekannt und berüchtigt sind.
    »Ich bin sicher, der Mann versteht etwas von seinem Metier«, erklärte sie. »Und wenn man den Geschmack von Wein mit Bleistiftspan, Trüffeleiche oder einem Hauch Tabak vergleicht, kann ich das noch halbwegs nachvollziehen, obwohl kein Mensch weiß, warum jemand den Wunsch haben sollte, Bleistiftspan zu trinken, aber als dieser Weinpapst anfing, die Aromen bestimmter Weine mit nassen Hunden zu vergleichen, habe ich mich dann doch ausgeklinkt.« Sie sah Reboul an, die dunklen Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. »Sie haben dort hoffentlich keine Weine, die nach nassen Hunden schmecken, oder?«
    Reboul schüttelte den Kopf und lachte. »Ich habe einmal gehört, wie ein Weinhersteller sein Erzeugnis mit den Worten › Comme le petit Jésus en pantalon de velours‹ – wie das Jesuskind in Samthosen – beschrieb.« Er zuckte die Schultern. »Weinhersteller sind hoffnungslose Schwärmer. Ich denke, man sollte ihnen die kleinen Übertreibungen verzeihen. Sie versuchen etwas zu beschreiben, was oft unbeschreiblich ist.«
    Der Käse wurde serviert – genauer gesagt, drei verschiedene Sorten –, mit einem großzügig bemessenen Klecks Feigenmar melade, und Reboul kam wieder auf sein Fischerbucht-Projekt zurück. »Wie ich bereits andeutete, gibt es da ein Problem, und sein Name lautet Patrimonio. Jérôme Patrimonio. Er ist der Vorsitzende des
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