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Der Computer und die Unsterblichen

Der Computer und die Unsterblichen

Titel: Der Computer und die Unsterblichen
Autoren: Alfred Bester
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freinehmen und lernen, die Geheimnisse Gottes zu respektieren.«
    Vielleicht hat er recht. Ich bin tatsächlich von dem Glauben besessen, daß unsere Gruppe zur Epilepsie neigt und daß es eine historische Verbindung zwischen Epilepsie und dem Einzigartigen gibt. Ich leide selbst daran, und wenn mich die Aura überkommt, kann ich die Welt umgreifen. Darum schreien und verkrampfen wir uns; es ist zu großartig, um es zu ertragen. Ich habe gelernt, den epileptischen Typ zu erkennen, und jedesmal wenn ich einen entdecke, versuche ich ihn (oder sie) für die Gruppe zu rekrutieren, indem ich ihn (oder sie) auf das gräßlichste töte, was mir den Beinamen Grand Guignol eingetragen hat. Bathseba schickt mir immer eine Weihnachtskarte mit der Abbildung einer Eisernen Jungfrau.
    Das ist nicht fair. Ich quäle und töte mit den besten Absichten, und wenn ich meine eigenen Todeserfahrungen beschreibe, wird man mich verstehen. Im Jahre 1883 war ich Leiter einer kleinen Handelsfaktorei auf Krakatau, einer vulkanischen Insel in der Sundastraße. Krakatau galt offiziell als unbewohnt, und das war der Schwindel. Ein Handelshaus aus San Francisco hatte dort insgeheim eine Faktorei errichtet, um das holländische Handelsmonopol zu brechen. Ich war der Leiter dieser Faktorei.
    Normalerweise hätte nur ein Idiot die Stelle angenommen, aber ich war damals ein zwanzigjähriger Junge, berauscht von der Entdeckungseuphorie jener Tage und scharf darauf, mir einen Namen zu machen. Überschrift: »Ned Curzon entdeckt Nordpol!« oder: »Ned Curzon, der Afrikaforscher«. »Dr. Livingstone, nehme ich an?« Bloß behauptet M'bantu, Stanley habe das nie gesagt, und ich glaube ihm; er war dabei, mit einem Bündel auf dem Kopf.
    Ich hauste in einem Lagerhaus aus Bambus allein auf der Insel und hatte nur einen Terrier zur Gesellschaft, aber die Einheimischen kamen oft zum Handeln herübergesegelt. Sie verlangten die verrücktesten Sachen und boten mir die verrücktesten Sachen an, darunter ihre Frauen, die für einen Deziliter Handelswhisky ins Bett hüpften. Ah! Diese wunderbaren tropischen Schönheiten, wie Stanley sie unsterblich gemacht hat! Nicht Sir Henry Morton Stanley von Afrika, sondern Darryl F. Stanley von Hollywood. Zeremoniennarben hatten ihre Häute wie Krokodilleder gemacht, und sie gackerten und zeigten die vom Betelnußkauen geschwärzten Zähne, wenn man sie bumste.
    Die Eingeborenen wußten, daß die Insel ein aktiver Vulkan war, aber der Kegel war so klein, verglichen mit den mächtigen Vulkanen auf Java und Sumatra, daß niemand sich daran hindern ließ, die Insel aufzusuchen. Dann und wann grollte es in der Tiefe, und es gab Erdbeben, aber sie waren so leicht, daß ich sie kaum von den dumpfen Schlägen der auflaufenden Brandung unterscheiden konnte.
    Der große Ausbruch kam am sechsundzwanzigsten August, und es war wie das Ende der Welt. Ich hörte den Lärm nicht, er war zu laut, um gehört zu werden, aber ich fühlte ihn, einen akustischen Schmerz, der mich schreien machte. Der ganze Nordteil der Insel flog in einem Rauchpilz aus Lavagestein in die Luft. Der Hauptkegel des Rakata-Vulkans wurde in der Mitte gespalten, und die See ergoß sich in das geschmolzene Innere, wo sie augenblicklich in kochenden Dampf verwandelt wurde und in einer weiteren Serie von Explosionen den Rest des Kegels auseinanderriß.
    Ich wurde vom Lärm gepeinigt, von Rauch und Gasen geblendet und erstickt, vom Dampf verbrüht, und die glühende Wand einer Flutwelle aus Lava wälzte sich heran. Ich fühlte nichts als das entsetzte Bewußtsein des Todes, das wie ein Schock durch meinen Körper ging. Ich wußte, daß es aus war. Ich wußte, was niemand bis zu jenem extremen Augenblick glaubt. Ich wußte, daß ich tot war. Und so starb ich.
    Tatsächlich war es der Luftdruck der Explosionen, der das Wunder bewirkte, als er Teile des Lagerhauses und mich in den Ozean hinausschleuderte. Ich wußte nichts davon; ich verstand es erst später, als ich wiedergeboren war und in einem Gewirr von Bambusstangen im Meer trieb.
    Die Insel Krakatau war verschwunden. Alles war fort. Neue Riffe erhoben sich aus dem Wasser, schwarz und nach Meeresboden stinkend. Der Himmel war mit schwarzen Wolken aus Vulkanasche und Rauch verhangen, in denen es blitzte und Donner grollte. Ich war fünf Tage lang in einem Schockzustand, und diese Tage waren fünf Ewigkeiten, bis ich von einem holländischen Frachter aufgenommen wurde. Die Schiffsführung war fuchsteufelswild über die
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