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Der Code des Luzifer

Der Code des Luzifer

Titel: Der Code des Luzifer
Autoren: David Gilman
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nirgendwo hin, wo dein Geist noch nicht gewesen ist, hatte sein Vater ihm einmal gesagt. Führ dir die Schwierigkeiten vor Augen, erkenne den Weg, leg ihn dir zurecht – und dann geh los. Es mag nur den Bruchteil einer Sekunde brauchen, aber lass den Verstand zuerst dort hingehen.
    Max wusste, dass er diesen Sprung schaffen konnte.
    Sein Anlauf war schnell. Er sauste die Rampe hinauf, verringerte den Druck auf die Spitze des Boards, behielt den Kopf oben und spannte alle Muskeln an. Er flog hoch in die Luft. Eine Schulter schräg nach hinten biegend, griff er nach der Kante des Boards und erwischte sie in Höhe der Bindung. Die musste er gegen die Fliehkräfte des Saltos festhalten. Er zog die Knie an und spürte den Zugwind an seiner Jacke zerren, als er die zweite Umdrehung machte. Er krampfte die Hand noch fester um das Board, hörte den gedämpften, fast hypnotischenAufschrei der Menge, die jetzt erst begriff, was er da machte. Noch eine Umdrehung! Seine Finger rutschten von der Kante. Wenn er das Board nicht halten konnte, würde er auf dem Rücken landen und sich womöglich das Genick brechen. Die Hand tat ihm weh, so fest drückte er zu, während er, die Beine immer noch hoch angewinkelt, den zweiten Salto vollendete. Undeutlich sah er den Boden unter sich, verwischte Schneeflocken in der Luft. Das Schwierigste war die Landung. Er musste den Aufprall mit den Beinen abfedern, zugleich aber die Bauchmuskeln anspannen, um seinen Körper im Gleichgewicht zu halten. Sein Snowboard berührte den Boden, er streckte die Arme zur Seite, dann aber verlagerte sich sein Schwerpunkt zu weit nach hinten und er begann zu kippen.
    In diesem Augenblick wusste er, es war vorbei. Max keuchte vor Schmerz, als er mit dem Rücken am Boden aufschlug und unkontrolliert auf die Zuschauer zuschlitterte.
    Er hatte alles für den Sieg gewagt – und verloren.
    Bobby Morrell war als Erster zur Stelle, half ihm hoch und löste die Bindung. Sein Blick sagte alles. Der Sprung war großartig gewesen, und hätte die Landung geklappt, hätte Max die Führung übernommen. Bobby legte ihm eine Hand in den Nacken und berührte seine Stirn mit seiner. Eine kleine, intime Geste, die Freundschaft und Respekt ausdrückte.
    »Wenn du noch ein Jahr lang weitertrainierst, wird dich keiner mehr schlagen können, Mann. Garantiert«, sagte er ruhig. »Nicht einmal ich.« Er lächelte Max aufmunternd zu und ging zum Start.
    Als Max sich hinsetzte und seine verkrampften Beine entspannte, kamen ein paar Leute und klopften ihm auf die Schulter. Einige sprachen ihm Mut zu, andere bedauerten ihn. Auch wenn Max den Sieg verschenkt hatte, war den meisten vonihnen bewusst, dass sie selbst niemals einen solchen Sprung gewagt hätten.
    Max hatte unbedingt gewinnen wollen. Er war ungeheuer enttäuscht, aber das wollte er vor all den Leuten nicht zeigen. Die anderen Snowboarder waren besser als er; sie waren älter, hatten mehr Erfahrung und eine bessere Ausrüstung. Das war nicht zu leugnen. Trotzdem war er mit seinem Ergebnis nicht zufrieden. Lass das, sagte er sich schließlich. Du hast dein Bestes getan. Schluss mit dem Selbstmitleid, sieh lieber den anderen zu, wie sie um die ersten drei Plätze kämpfen.
    Er blieb bis zur Schlussfeier. Bobby Morrell war Erster geworden, gefolgt von der Deutschen und dem Franzosen. Max sagte Bobby, er wolle sich für ein paar Stunden zurückziehen, solange es noch hell sei, aber zu der Party nachher komme er auf alle Fälle.
    Er stahl sich unauffällig davon, fuhr mit dem Skilift auf eine Piste hoch und glitt durch den tiefen, frisch gefallenen Schnee. Tausend Meter hoch ragten die Berge über ihm, und nachdem der Schneesturm durch die Täler gefegt war, wirkte die ganze Gegend wie eine unberührte Wildnis.
    Als er so mit weiten Schwüngen dahinglitt, kehrte das Glücksgefühl zurück. Einmal hielt er an, um die stille, majestätische Schönheit der Landschaft zu genießen. Ganz gleich, was bei zukünftigen Wettbewerben passieren würde, am schönsten war es doch, so ganz allein und frei durch die endlosen Schneefelder zu gleiten.
    Dann ging es weiter durch knietiefen, perfekten Schnee in einem großen Bogen zu Tal. Plötzlich erkannte er, dass er nicht weit von der Stelle war, wo ihn und Sayid am Tag zuvor die Lawine überrascht hatte.
    Der Schnee hatte die Landschaft neu geformt, alles wirktesanft und glatt, wie die Konturen eines schnellen Autos. Das sah schön aus, aber Max wusste, die Lawinengefahr war damit längst nicht
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