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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Autoren: Lian Hearn
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Ishida, er müsse nach Hofu, denn er sorgte sich so sehr um seine Frau, dass er keine Ruhe fand.
    Allerdings hatten sie keine Nachrichten bekommen, und ohne irgendwelche Neuigkeiten schien es unklug zu sein, die Reise fortzusetzen. Sie wussten nicht, wer den Hafen von Hofu kontrollierte, wo sich Zenko mit seinen Streitkräften befand oder wie weit Kahei auf dem Rückmarsch gekommen war.
    Das Kirin konnte jedenfalls nicht weiter, und für Hiroshi, der langsam wieder zu Kräften kam, war es besser, in der Stadt zu bleiben. Shigeko beschloss, sich in Inuyama aufzuhalten, bis sie etwas von ihrem Vater hörte. Sie bat Ishida, bei ihr zu bleiben und ihr bei der Pflege der Verwundeten und des Kirin zu helfen, und er willigte zögernd ein. Shigeko war dankbar, allein schon für seine Gesellschaft. Sie veranlasste ihn, Minoru alles zu berichten, was er wusste, damit man alle Ereignisse, egal wie düster, aufzeichnen konnte.
    Der Mond des achten Monats stand schon im ersten Viertel, als endlich Boten eintrafen, doch Shigeko hatte weder mit diesen Boten noch den Briefen gerechnet, die sie brachten.
    Sie kamen mit dem Schiff aus Akashi und trugen das Wappen Saga Hidekis auf ihren Gewändern, verhielten sich äußerst ehrerbietig und demütig und baten darum,mit Lady Maruyama sprechen zu dürfen. Shigeko war erstaunt, denn als sie Saga zuletzt gesehen hatte, hatte dieser einen Pfeil im Auge gehabt. Wenn sie irgendetwas von ihm erwartet hatte, dann Krieg. Zum ersten Mal seit Wochen wurde sie sich ihres Äußeren bewusst, badete, ließ sich ihr langes Haar waschen und lieh sich elegante Gewänder von ihrer Tante Ai, denn ihre eigenen Prunkroben waren auf dem Heimweg von der Hauptstadt verloren gegangen. Sie empfing die Männer im Audienzsaal der Residenz des Schlosses. Sie hatten viele Geschenke mitgebracht und außerdem von Saga persönlich verfasste Briefe.
    Shigeko empfing sie höflich und verbarg, wie unangenehm ihr die Situation war. »Ich hoffe, Lord Saga ist bei guter Gesundheit«, sagte sie. Die Männer versicherten ihr, dass er sich von der Verwundung erholt habe. Auf dem linken Auge sei er blind, davon abgesehen ganz so kerngesund wie immer.
    Shigeko befahl, die Männer mit einer so stattlichen Zeremonie wie möglich zu bewirten. Dann zog sie sich zurück, um zu lesen, was Lord Saga ihr geschrieben hatte. Er wird mir bestimmt drohen, dachte sie, oder auf Vergeltung aus sein . Doch der Ton seines Briefes war ganz anders und sowohl herzlich als auch achtungsvoll.
    Er schrieb, dass er seinen Angriff auf Lord Otori zutiefst bereue. Er habe das Gefühl, ein zufrieden stellendes Ergebnis könne nur erzielt werden, wenn der Bedrohung der Otori durch die Arai ein Ende gesetzt werde. Seine Heirat mit Lady Maruyama sei die Gewähr dafür. Wenn sie einer Eheschließung zustimme, würde er umgehend seine Streitkräfte in Marsch setzen, um an der Seite von Lord Otori und dessen großem Heerführer, Miyoshi Kahei, zu kämpfen. Seine Verwundung ließ er unerwähnt. Als Shigeko den Brief gelesen hatte, empfand sie neben Staunen und Wut so etwas wie Bewunderung. Sie begriff, dass Saga die Kontrolle über die Drei Länder zuerst durch Drohungen zu erlangen versucht hatte, dann durch List und schließlich durch Gewalt. Er war in der Schlacht besiegt worden, hatte aber noch nicht aufgegeben. Ganz im Gegenteil: Er bereitete sich auf einen neuen Angriff vor, nur dass er diesmal einer anderen Taktik folgte.
    Sie kehrte in den Audienzsaal zurück und sagte den Gästen, sie wolle Lord Saga am nächsten Tag eine Antwort schreiben. Nachdem sie sich zurückgezogen hatte, ging sie in das Zimmer, in dem Hiroshi dicht neben den offenen Türen lag, so dass er auf den Garten schauen konnte. Die Gerüche und Geräusche der Sommernacht erfüllten die Luft. Shigeko kniete sich neben ihn. Er war wach.
    Â»Hast du Schmerzen?«, fragte sie leise.
    Er schüttelte leicht den Kopf, doch sie wusste, dass er log. Sie sah, wie mager er geworden war. Seine Haut spannte sich gelblich über den Knochen.
    Â»Ishida meint, diesmal sterbe ich nicht«, sagte Hiroshi. »Aber er kann mir nicht versprechen, dass ich meine Beine wieder richtig benutzen kann. Es ist zweifelhaft, ob ich je wieder auf einem Pferd reiten werde, und für eine Schlacht werde ich nicht mehr viel taugen.«
    Â»Ich hoffe, wir müssen nie mehr eine solche Schlachtschlagen«, sagte
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