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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios
Autoren: Wolf Serno
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menschlicher Macht liegt, um den Schwarzen Tod zu besiegen. Und du musst mir dabei helfen. Bitte, lass Doktor Burns holen und gib auch Enano und Catfield Bescheid. Ich will euch alle zur Abendmahlzeit im Grünen Salon treffen. Wir müssen beratschlagen, was zu tun ist, müssen Therapien durchsprechen, müssen alles Wissen, das über diese verfluchte Krankheit vorhanden ist, sammeln, um sie unschädlich zu machen. Und Magister: Zu niemandem ein Wort über die Pest, ich werde die Menschen auf Greenvale Castle zu gegebener Zeit selbst informieren.«
    »Verlass dich nur auf dein altes Unkraut«, hatte der Freund geantwortet und ihm einen aufmunternden Stoß in die Rippen versetzt. »Noch ist nicht aller Tage Abend.«
    Arlette regte sich in ihrem Bett. »Was war dir denn eingefallen, Liebster?«
    »Nun, äh … dass ich für die Behandlung noch einige Arzneien brauchte, die ich nicht vorrätig hatte. Ich, äh … wollte sie rasch holen lassen.« Er flößte ihr einen stopfenden Trank ein, um den Durchfall weiterhin zu bekämpfen, und gab danach einen Weißdornaufguss, um das Herz zu stärken. Das Fieber war nach wie vor hoch. Arlettes Augen allerdings sahen nicht mehr ganz so entzündet aus. Er schöpfte wieder etwas Hoffnung. »Kann ich dich jetzt für eine Weile verlassen? Hartford kann bei dir sitzen, falls du etwas wünschst. Ich habe noch einige Dinge zu erledigen.«
    »Natürlich«, murmelte sie. »Aber ich will allein sein.«
    »Ist recht.« Er atmete auf, denn im selben Augenblick, als er die Hilfe von Hartford angeboten hatte, war ihm eingefallen, dass dies ein verhängnisvoller Fehler sein konnte: zu ansteckend war die Pestilentia! Er war schon halb an der Tür, da hörte er sie noch einmal:
    »Liebster, ich werde kämpfen.«
    Mit Tränen in den Augen verließ er den Raum.
     
    Vitus saß in seiner Kammer und studierte zum wiederholten Male die Kapitel in
De morbis hominorum et gradibus ad sanationem
, in denen die alten Meister sich über die Pest äußerten. Es gab zahllose Hinweise und Therapievorschläge, auch Anweisungen zur Prophylaxe, wie das Verbot des Genusses von Geflügel, Wasservögeln, Spanferkel, altem Ochsenfleisch und Ähnlichem. Die Fülle der Maßnahmen war höchst verwirrend, denn die Meister definierten die Pest immer wieder anders. Manche Krankheitsbilder ähnelten mehr dem Aussatz, dem Fleckfieber oder anderen Leiden. Dennoch schien der Aderlass in jedem Fall eine angezeigte Maßnahme zu sein. Ein weiterer interessanter Punkt war, dass häufig Purgativa, also abführende Mittel, zur Anwendung gebracht werden sollten. Dieser Vorschlag ließ abermals Hoffnung in ihm aufkeimen, denn derlei Arzneien waren bei Arlette nicht nötig, im Gegenteil: Sie litt unter Durchfall.
    Seufzend und nicht sehr viel klüger, schlug er das Buch zu, um sich in den Grünen Salon zu begeben.
     
    »Danke, Marth, danke, Mary, stellt die Speisen nur ab. Und dann lasst uns allein. Wir werden uns selbst bedienen.«
    Die Mägde knicksten und verließen den Salon.
    Vitus blickte in die Runde. Alle waren erschienen. Catfield saß da, mit aufmerksamem, ernstem Blick, dann der Magister, kurzsichtig blinzelnd, da er noch keine neuen Berylle hatte, daneben der Zwerg mit halb geöffnetem Fischmündchen und Burns, der brave, alte Dorfarzt. »Ich danke allen für ihr Erscheinen«, begann Vitus, »der Anlass dieses gemeinsamen Mahls ist … ist …«, er brach ab, denn die Gefühle überwältigten ihn. Er versuchte es erneut: »Nun, Gentlemen, es hat seinen Grund, warum ich so weit entfernt von Euch Platz genommen habe. Es gibt einen Krankheitsfall im Schloss. Es handelt sich um Lady Arlette. Sie ist … sie hat … nun, also«, er räusperte sich umständlich, »Lady Arlette wurde von der Pestilenz geschlagen.«
    Die Umsitzenden waren wie vom Donner gerührt. Die Nachricht, das wusste jeder, kam einem Todesurteil gleich. Wo heute ein Pestfall auftrat, konnten morgen schon Dutzende von Menschen erkranken und übermorgen ganze Dörfer ausgestorben sein. Burns fing sich als Erster: »Und ein Irrtum ist gänzlich ausgeschlossen, Mylord?«, fragte er vorsichtig.
    »Ich bin mir sicher. Gott weiß, wie sehr ich wünschte, Euch eine andere Antwort geben zu können.« Vitus schilderte präzise die beobachteten Symptome. Als er geendet hatte, nickte der alte Arzt schwer:
    »Alles deutet darauf hin, dass Ihr Recht habt, Mylord.«
    »Wir sind hier, um die erforderlichen Maßnahmen zu besprechen: für Lady Arlette, damit sie, was der
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