Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
über sie und küsste ihre kalten Lippen. »Hier ist noch eine dicke Decke aus Fuchsfell, sie wird dich wärmen wie ein Ofen.« Er wickelte ihren Körper darin ein.
    »Danke, Liebster. Ich komme mir so nutzlos vor.«
    »Unsinn. Jeder kann Fieber bekommen. Ich selbst habe es schon gehabt, und glaub mir, es war viel schlimmer als dieses.« Er dachte an das Schwarze Erbrechen, das er zusammen mit dem Magister und den anderen Freunden besiegt hatte. »Was dir fehlt, ist nur Schlaf. Ich gebe dir einen Extrakt von Baldrianblättern und dazu einen Becher Weidenrindensud gegen die Kopfschmerzen.«
    Bald darauf nickte sie ein. Er blieb die ganze Nacht an ihrem Bett, denn ihr Körper wurde abwechselnd von Gluthitze und Eiseskälte gepeinigt, und je nachdem, worunter sie litt, kühlte oder wärmte er sie. Endlich, gegen Morgen, übermannte auch ihn der Schlaf. Sein letzter Gedanke war, dass am kommenden Tag das Fieber vielleicht schon fort sein würde.
     
    Ein lautes Gepolter riss Vitus aus seinen oberflächlichen Träumen. Er schlug die Augen auf und erkannte Arlette, die wenige Schritte entfernt zu Boden gefallen war. »Großer Gott, Liebste!« Er rappelte sich aus seinem Stuhl hoch und half ihr auf die Beine. »Was ist geschehen?« Er wollte sie zum Bett zurückbringen, doch sie stemmte sich dagegen.
    »Bitte, lass mich allein, nur für einen kurzen Augenblick!«
    »Aber warum denn?«
    Sie blickte ihn aus fiebrigen Augen an. »Bitte!«
    Als er wenig später wieder eintrat, fiel ihm sofort der unangenehme Geruch auf. Es stank nach Fäkalien, und der Gestank war von jener Art, wie er für Durchfall typisch ist. Er zog das Nachtgeschirr unter dem Bett hervor, nahm den Deckel ab und sah, dass seine Vermutung richtig gewesen war: Arlette litt unter Diarrhö. Sie lag auf ihrem Bett, hatte ihm den Rücken zugewandt und schluchzte.
    Er biss die Zähne zusammen, um sich nichts anmerken zu lassen, und sagte betont fröhlich: »Erst einmal einen guten Morgen, Liebste. Deine Nacht war recht unruhig, und du scheinst auch Durchfall zu haben, aber das ist in Verbindung mit Fieber durchaus nicht ungewöhnlich. Ich werde Hartford klingeln, dass er das Nachtgeschirr fortbringt.«
    Als der Diener wieder gegangen war, setzte er sich zu ihr aufs Bett und nahm sie in die Arme. »Sei doch nicht so verzweifelt. Alles wird gut, ich verspreche es dir. Darf ich dich untersuchen?«
    »Ich weiß nicht. Es geht mir miserabel.«
    »Besser oder schlechter als gestern Abend?«
    Sie spürte, dass er eine gute Nachricht hören wollte, brachte es aber nicht übers Herz, ihn anzulügen. »Vielleicht ein kleines bisschen schlechter.«
    »Nun ja, man kann nicht erwarten, dass ein starkes Fieber über Nacht verschwindet. Hast du noch Kopfschmerzen?«
    »Ja, und mir tun sämtliche Glieder weh.«
    »Du Arme.« Er wollte sie küssen, aber sie wehrte ab:
    »Nicht, Liebster. Ich fühle mich so … so unsauber.«
    »Du könntest von Kopf bis Fuß dreckverkrustet sein, ich würde dennoch jedes einzelne Schmutzkorn an dir lieben – so wie dich selbst.«
    Sie lachte leise auf, und für einen kleinen Augenblick war sie wieder die alte Arlette. Vor Erleichterung und Glück kamen ihm fast die Tränen, deshalb redete er schnell weiter: »Du nimmst noch einmal Weidenrindensud, gleich jetzt. Er verjagt die Schmerzen und drückt das Fieber hinunter. Und dann gebe ich dir noch etwas gegen den Durchfall. Die Diarrhö muss verschwinden, denn sie entkräftet den Körper zusätzlich. Ich gebe dir einen Trank aus Heidelbeerblättern, Salbei und Gänsefingerkraut, versetzt mit Kohlepulver. Wenn das nicht hilft, versuchen wir es mit weißem Lehm. Die Diskrasie im Darm wird schnell verschwinden.«
    »Wie gut, dass ich einen Arzt im Hause habe.« Sie streichelte ihm die Hand. »Dennoch ist mir so komisch bei alledem. Ich fühle mich kraftlos und gleichzeitig unruhig, ich möchte im Bett bleiben und zur selben Zeit aufstehen.«
    »Das wird sich geben«, besänftigte er sie, obwohl er sich auf diese Symptome keinen Reim machen konnte. »Ich untersuche dich jetzt.« Im Folgenden stellte er fest, dass ihr Puls noch immer nicht stark und regelmäßig schlug und in ihren Augen nach wie vor ein Fieberglanz saß. Allerdings war eine deutliche Rötung der Bindehäute dazugekommen. Er verordnete ihr ein Kollyrium, das er selbst sogleich herstellte und applizierte.
    Arlettes Zunge war dunkel verfärbt und strömte einen leichten Geruch aus, gottlob aber nicht nach frisch geschlachteter Leber, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher