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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition)
Autoren: Stephen King
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Am liebsten wäre ich ihm nachgelaufen und hätte ihm seine beschissene kleine Einwegkamera in den Hals gestopft.
    » Stell ein paar Umgehungsschilder auf«, sagte ich zu Phil. » Carl soll dir dabei helfen. Leitet den Verkehr über die County Road um. Ich decke ihn zu. Was für eine Scheiße! O Gott! Und wer sagt das seiner Mutter?«
    Phil sah mich nicht an. Wir wussten beide, wer es seiner Mutter sagen würde. Später an diesem Tag biss ich dann in den sauren Apfel und erfüllte eine der unappetitlichsten Aufgaben, die dieser Posten mit sich bringt. Anschließend ging ich mit Shirley, Huddie, Phil und George Stankowski ins Country Way. Ich weiß nicht, wie es den anderen ging, aber ich ging nicht über Los und zog auch keine zweihundert Dollar ein; nein, der alte Sandy knallte sich ohne weitere Umstände die Birne zu.
    Von diesem Abend sind mir nur zwei deutliche Erinnerungen geblieben. Die eine ist, dass ich Shirley versuchte zu erklären, wie eigenartig das früher mit den kleinen Jukeboxes im Country Way war, dass sie nämlich genau die Songs enthielten, an die man sich erst wieder erinnerte, wenn man hier ihre Titel las. Sie kapierte es nicht.
    Dann erinnere ich mich nur noch daran, wie ich auf die Toilette ging, um mich zu übergeben. Hinterher, während ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzte, sah ich mich in einem unebenen Stahlspiegel an. Und da wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass es sich bei dem alternden Gesicht, das mich aus dem Spiegel ansah, um keinen Fehler handelte. Der Fehler hatte darin bestanden zu glauben, der Fünfundzwanzigjährige, der in meinem Hirn weiterzuleben schien, wäre irgendwie real.
    Ich erinnerte mich daran, wie Huddie gerufen hatte: Sandy, nimm meine Hand! Und dann waren wir beide, Ned und ich, mit den anderen draußen auf den Asphalt gestürzt und waren in Sicherheit gewesen. Als ich daran dachte, fing ich an zu weinen.
    Unerwartet verstorben – dieser Quatsch mag ja für den County American gut sein, aber Polizisten wissen, wie es wirklich war. Wir machen die Sauerei weg, und wir kennen die Wahrheit.
    Natürlich gingen alle, die dienstfrei hatten, zu der Beerdigung. Er war zwar kein Polizist, aber doch einer von uns. Hinterher fuhr George Stankowski seine Mutter nach Hause, und ich fuhr mit Shirley zurück zur Kaserne. Ich fragte sie, ob sie zu dem Empfang ginge – was die Iren Totenwache nennen –, und sie schüttelte den Kopf.
    Also rauchten wir draußen auf der Raucherbank eine letzte Zigarette und sahen dem jungen Trooper zu, der zu dem Buick hineinschaute. Er stand da in der altbekannten, breitbeinigen Pose à la » Verflucht seien die Demokraten, kennen Sie schon den mit dem Vertreter, der …«, die wir alle einnahmen, wenn wir in den Schuppen B spähten. Wir lebten zwar in einem neuen Jahrhundert, aber sonst hatte sich nicht viel geändert.
    » Es ist so ungerecht«, sagte Shirley. » So ein junger Mann …«
    » Was soll denn das jetzt?«, sagte ich. » Eddie J war Ende vierzig … vielleicht sogar schon fünfzig. Seine Mutter ist fast achtzig! «
    » Du weißt, wie ich das meine. Er war zu jung dafür, so was zu tun.«
    » Das war George Morgan auch«, sagte ich.
    » Ob der …?« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf den Schuppen B.
    » Das glaube ich nicht. Nein, das lag nur an seinem Leben. Er hat sich eine Zeit lang mordsmäßig zusammengerissen, um trocken zu bleiben. Das war kurz nachdem er Curts alten Bel-Aire von Ned gekauft hatte. Eddie hatte den Wagen schon immer gemocht, und Ned konnte ihn nicht mit zur Pitt nehmen, jedenfalls nicht im ersten Semester. Er hätte nur bei ihm zu Hause in der Auffahrt gestanden …«
    » … und Ned brauchte das Geld.«
    » Als Collegestudent aus einer Einelternfamilie? Jeden Penny. Also hat er gleich eingewilligt, als Eddie ihn fragte. Eddie hat ihm dreitausendfünfhundert Dollar dafür bezahlt …«
    » Drei zwei«, sagte Shirley mit der Sicherheit einer Frau, die es wirklich wusste.
    » Drei zwei, drei fünf, was auch immer. Jedenfalls glaube ich, dass der Bel-Aire für Eddie so was wie einen neuen Lebensabschnitt verkörperte. Er ging nicht mehr ins Tap; ich glaube, er ging stattdessen zu den Anonymen Alkoholikern. Das war die gute Zeit. Und Eddies gute Zeit dauerte ungefähr zwei Jahre an.«
    Auf der anderen Seite des Parkplatzes drehte sich der Trooper, der in den Schuppen B geguckt hatte, um, entdeckte uns und kam zu uns herüber. Die Haut auf meinen Armen prickelte. In der grauen Uniform sah der Junge –
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