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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition)
Autoren: Stephen King
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Dann stieg er aus und ging zu dem Laster.
    Wäre er direkt zu dem Fahrer gegangen, der sich aus dem Seitenfenster lehnte und sich zu ihm umsah, dann würde er heute vermutlich noch auf Erden weilen. Doch er blieb stehen und betrachtete das lose Profil an dem letzten Reifen hinten links, zog sogar daran, um zu sehen, ob er es abbekam. Der Trucker sah das alles und bezeugte es später vor Gericht. Dass Curt dort stehen blieb, war das vorletzte Glied in einer Verkettung von Ereignissen, die seinen Sohn zur Troop D führten und schließlich dafür sorgten, dass er einer von uns wurde. Das allerletzte Ereignis bestand darin, dass sich Bradley Roach nach rechts beugte, um sich noch ein Bier aus dem Sixpack zu nehmen, das vor dem Beifahrersitz seines alten Buick Regals stand (nicht der Buick, sondern ein anderer Buick – ja, es ist schon komisch, wie sich die Dinge, wenn man auf Katastrophen oder Liebesaffären zurückblickt, aufzureihen scheinen wie die Planeten in einem persönlichen Horoskop). Keine Minute später hatten Ned Wilcox und seine Schwestern keinen Daddy und Michelle Wilcox keinen Ehemann mehr.
    Recht bald nach der Beerdigung begann Curts Sohn sich hier in unserer Basis blicken zu lassen. Wenn ich in diesem Herbst nachmittags zur Schicht kam oder auch nur mal nach dem Rechten sah (wenn man das Sagen hat, fällt’s einem schwer, einfach mal wegzubleiben), sah ich den Jungen meistens zuallererst. Während seine Freunde drüben auf dem Floyd B. Clouse Field hinter der Highschool Football spielten, gegen Dummys anrannten und einander Fünf gaben, kehrte Ned in seiner grüngoldfarbenen Highschool-Jacke auf dem Rasen vor der Kaserne ganz allein das Laub zu großen Haufen zusammen. Er winkte mir zu, und ich winkte zurück: Grüß dich, Junge. Wenn ich geparkt hatte, ging ich manchmal vorn herum und schwatzte kurz mit ihm. Dann erzählte er mir etwa, wie blöde sich seine Schwestern in letzter Zeit aufführten, und lachte darüber. Aber auch wenn er über sie lachte, merkte man, dass er sie liebte. Manchmal ging ich aber auch gleich hinten rein und erkundigte mich bei Shirley nach dem Stand der Dinge. Ohne Shirley Pasternak würde die Verbrechensbekämpfung hier im westlichen Pennsylvania zusammenbrechen, das steht mal fest.
    Im Winter sah man Ned dann oft mit dem Schneegebläse hinten auf dem Parkplatz, auf dem die Trooper ihre Privatfahrzeuge abstellen. Eigentlich sind die Gebrüder Dadier, zwei Gauner hier aus der Gegend, für unseren Parkplatz zuständig, aber die Troop D befindet sich im Lande der Amish, am Rande der Short Hills, und bei einem schweren Sturm versinkt der Parkplatz gleich wieder unter Schnee, wenn sie mit ihrem Pflug weggefahren sind. Diese Schneewehen sehen aus wie ein riesiger weißer Brustkorb. Aber Ned bekam sie in den Griff. Da stand er dann, auch bei fünfzehn Grad unter null, wenn der Sturm von den Hügeln her toste, in einem Schneemobilanzug, mit seiner Highschool-Jacke drüber, gefütterten Polizeihandschuhen aus Leder an den Händen und einer Sturmhaube über dem Gesicht. Ich winkte ihm zu. Er winkte kurz zurück und machte sich dann wieder mit dem Gebläse über die Schneewehen her. Anschließend kam er oft auf einen Kaffee oder eine heiße Schokolade herein. Die Kollegen gingen hin und unterhielten sich mit ihm, fragten ihn nach der Schule und ob er die Zwillinge denn auch im Griff habe (seine Schwestern waren im Winter 2001 zehn Jahre alt, glaube ich). Sie fragten, ob seine Mutter irgendwas brauchte. Manchmal war ich auch dabei, wenn es ruhig war in der Kaserne und nicht allzu viele Schreibarbeiten anlagen. Bei diesen Gesprächen ging es nie um seinen Vater, obwohl es bei diesen Gesprächen eigentlich nur um seinen Vater ging. Sie verstehen schon.
    Das Laubharken und Schneeräumen war eigentlich Arky Arkanians Aufgabe. Arky war der Hausmeister. Aber er war auch einer von uns und wurde nie sauer deswegen und war nicht eigen mit seinem Job. Und was die Schneewehen anging, war Arky bestimmt drauf und dran, Gott auf Knien für diesen Jungen zu danken. Arky war damals schon sechzig, und auch seine Footballzeit war längst vorbei – wie auch die Zeit, als er noch bei minus fünfzehn Grad (minus dreißig, wenn man den Windchillfaktor mitrechnete) anderthalb Stunden draußen zubringen konnte, ohne dass es ihm groß was ausgemacht hätte.
    Und dann freundete sich der Junge mit Shirley an, also mit Police Communications Officer Pasternak. Als dann der Frühling kam, saß Ned immer häufiger
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