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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition)
Autoren: Stephen King
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wusch ihm damit weiter die Augen aus. » Nicht sprechen.«
    Aber er ließ sich nicht aufhalten. » Ich wollte nach Hause und darüber nachdenken, wie ich gesagt habe.« Seine verquollenen, fürchterlich blutunterlaufenen Augen starrten mich an, und dann waren sie verdeckt, als Shirley noch eine Handvoll warmes Wasser darüberlaufen ließ. » Und ehe ich mich’s versah, war ich wieder hier, und ich weiß nur noch, dass ich dachte: ›Ich muss das heute Nacht ein für alle Mal erledigen.‹ Und dann …«
    Aber er wusste nicht, was dann passiert war; an alles Weitere erinnerte er sich nur sehr verschwommen. Ich musste ihm nicht einmal in die blutunterlaufenen, verwirrten Augen schauen, um das zu wissen. Ich hatte ihn schließlich gesehen, wie er mit dem Benzinkanister auf dem Schoß am Steuer des Roadmasters gesessen und blass und weggetreten und verloren ausgesehen hatte.
    » Es hat dich in seine Gewalt gebracht«, sagte ich. » Es hatte schon immer eine Art Anziehungskraft, konnte sie aber noch nie bei jemand so einsetzen wie bei dir. Aber als es dich gerufen hat, haben auch wir das gehört. Auf unsere Weise. Es ist jedenfalls nicht deine Schuld, Ned. Wenn überhaupt jemand Schuld daran hat, dann ich.«
    Er richtete sich an der Spüle auf, tastete umher und griff nach meinen Unterarmen. Sein Gesicht war tropfnass, und das Haar klebte ihm in der Stirn. Eigentlich sah er ziemlich lustig aus. Wie bei einer Slapstick-Taufe.
    Steff, die bisher den Schuppen von der Hintertür aus im Blick behalten hatte, kam zu uns. » Es hört schon wieder auf.«
    Ich nickte. » Es hat seine Chance verpasst. Vielleicht seine letzte Chance.«
    » Schaden anrichten«, sagte Ned. » Das wollte es. Das habe ich in meinem Kopf gehört. Oder vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.«
    » Dann habe ich mir das auch eingebildet«, sagte ich. » Aber vielleicht ging es heute Abend auch noch um mehr.«
    Ehe ich noch etwas sagen konnte, kam Huddie mit einem Erste-Hilfe-Kasten aus dem Bad. Er stellte ihn auf den Küchentresen, machte ihn auf und nahm ein Töpfchen Salbe heraus. » Reib dir das um die Augen, Ned. Es macht nichts, wenn du was davon in die Augen kriegst. Das wirst du kaum merken.«
    Wir standen da und sahen zu, wie er sich die Salbe um die Augen schmierte – in Kreisen, die im Neonlicht der Küche schimmerten. Als er damit fertig war, fragte Shirley ihn, ob es jetzt besser sei. Er nickte.
    » Dann komm noch mal mit raus«, sagte ich. » Es gibt da noch etwas, was ich dir erzählen muss. Ich hätte es dir schon früher erzählt, aber ich hab nicht mehr daran gedacht, bis ich dich dann in dem verdammten Auto sitzen sah. Der Schock hat wohl dafür gesorgt, dass es mir wieder eingefallen ist.«
    Shirley sah mich stirnrunzelnd an. Sie war zwar nie Mutter gewesen, aber es war mütterliche Strenge, was ich da auf ihrem Gesicht sah. » Nicht heute Abend«, sagte sie. » Siehst du denn nicht, dass der Junge erst mal genug hat? Einer von euch muss ihn nach Hause bringen und sich für seine Mutter irgendeine Geschichte ausdenken – Curtis’ Lügen hat sie immer geglaubt, also nehme ich mal an, dass sie euch auch glaubt, wenn ihr euch nicht gegenseitig widersprecht –, und dann muss er ins Bett.«
    » Es tut mir leid, aber ich glaube, das kann nicht warten«, sagte ich.
    Sie blickte mir streng ins Gesicht und sah wohl, dass ich zumindest glaubte, die Wahrheit zu sagen, und dann gingen wir alle wieder raus zur Raucherbank, und während wir dem ersterbenden Feuerwerk im Schuppen zusahen – die zweite Show an diesem Abend, aber sie machte nicht mehr viel her –, erzählte ich Ned noch eine Geschichte aus den alten Zeiten. Ich sah sie vor mir wie eine Szene in einem Theaterstück, zwei Gestalten auf einer fast leeren Bühne, zwei Gestalten unter einem einzigen, sehr hellen Scheinwerfer, zwei Männer

Damals: Curtis
    Zwei Männer sitzen im Licht der Sommersonne auf der Raucherbank, und einer der beiden wird bald tot sein – was das menschliche Leben angeht, hat jede Kette am Ende eine Schlinge, und Curtis Wilcox ist schon fast bei seiner angelangt. Das Mittagessen wird seine letzte Mahlzeit sein, und keiner der beiden weiß das. Dieser zum Tode Verurteilte sieht zu, wie sich der andere eine Zigarette ansteckt, und würde selbst auch gern eine rauchen, aber er hat es sich abgewöhnt. Es sei rausgeschmissenes Geld, hat ihm Michelle immer vorgehalten, aber vor allem will er seine Kinder aufwachsen sehen. Er will miterleben, wie sie ihren
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