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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler
Autoren: Hanns Kneifel
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ich das Schiff von diesem wahnsinnigen Jehoumilq steuern?«
    »Weil du nichts Besseres kannst, du kotzende Landmaus.« Jehoumilq schien nicht an die Gefahren zu denken. »Und weil du uns nach Kefti bringen willst.«
    Ein gischtender Hagel beendete Jehoumilqs Gebrüll. Karidon schwankte; ihm war schlecht. Schmerz tobte unter der Schädeldecke. Seine Lippen schmerzten, der Mund war ausgedörrt, die Augen tränten unaufhörlich. Er ahnte die Klippen, Untiefen und die schrundigen Felswände westlich des Kaps bis zum Strand und glaubte, unter seinen Sohlen zu fühlen, wie Strömung und Sturm das lecke Schiff zur Küste trieben, obwohl er sich ebenso wie Holx und Jehoumilq gegen den Druck des Doppelruders stemmte. Das triefende Segel war seit vier Stunden unverändert prall, der Messes peitschte das Schiff vorwärts, die Höhe der Wellen hatte kaum abgenommen, aber noch war kein Tau gerissen. Ein Omen? Obwohl er sicher war, dass die Horus mitsamt ihrer dreizehnköpfigen Mannschaft niemals die Bucht von Mulal erreichen würde, obwohl er mit anderen Schiffen zwischen der Hapimündung, Gubla und Kefti gesegelt war, ahnte er, dass diese Fahrt im Schiffbruch endete. Das Ausbleiben der Folge mörderischer Wellen und Grundseen in Ufernähe war trügerisch; selbst wenn der Messes nachließ, sogen Wellen und Strömung das Schiff aus Men-nefer, dessen Planken nur zusammengeknotet waren, auf die Felsen zu.
    Das Sturmgeheul schien tatsächlich leiser geworden zu sein, denn Karidon hörte das keuchende Würgen des Steuermannes ebenso deutlich wie Jehoumilqs Flüche. Die Krämpfe in seinen Schultern und Oberarmen ließen nach, die Muskeln begannen zu schmerzen. Ununterbrochen schöpfte die Mannschaft Wasser aus der Bilge. Ein gespenstischer Vorgang: Karidon sah gelegentlich einen Kopf oder die Schultern und hoffte, dass die Männer, die zwischen den Planken und Spanten inmitten der Ladung ohne Halt umhergeschleudert wurden, genügend Wasser aus dem Schiff hinausschöpften; es war zu viel, sie würden es nicht schaffen. Karidon war sicher: Die Horus der Brandung ging unter, weit vor der Bucht von Mulal.
    »Das Schlimmste ist vorüber«, brüllte Jehoumilq. »Wir schaffen's noch bis zum Ufer.«
    »Vielleicht in Stücken, und wenn wir schwimmen«, schrie jemand aus dem Kielraum. Karidon und Holx-Amr zuckten zusammen, als vom Bug her fast gleichzeitig Knarren und helles Plätschern erklangen. Sie brauchten sich weder mit Worten noch mit entsetzten Blicken zu verständigen. Sie wussten: zwischen den Planken drang Wasser ein. Karidon holte tief Luft und hob den Kopf. Über dem Meer war es ein wenig heller geworden; von Westen brachen durch Wolkenlöcher rötliche Lichtstrahlen über die gezackten Uferhänge und flirrten über die Schaumkämme. Der Sturm hatte die Horus südlich der drei Felseilande vorbeigedrängt. Hinter tief treibendem Uferdunst verbargen sich die steilen Küstenabschnitte ebenso wie die Buchten von Gnos und die Gebirge des Inselinneren.
    Idris stemmte sich aus der Luke und kippte einen Ledereimer Wasser über die Bordwand. Er klammerte sich neben Rebideka am Handlauf an und stierte erschöpft Karidon an.
    »Da unten schwimmt alles. Lange machen wir's nicht mehr, Kapitän.«
    Jehoumilq blickte ins Leere. Er schien zu rechnen und zu planen. Er nahm eine Hand von der Pinne und wischte über sein Gesicht. Langsam drehte er den Kopf, blickte nach Westen, blinzelte in die grauen Wolken, die über den Himmel jagten, und spuckte röchelnd aus.
    »Der Hurenmesses ist vorbei.« Der Kapitän schnäuzte sich und schleuderte den Auswurf über Bord. Larreto kam an Deck und blickte sich um, als sähe er zum ersten Mal ein Schiff. Jehoumilq schrie: »Schaffen wir's noch bis an Land? Wie sieht's unten aus?«
    »Nach Schiffsuntergang, Jehou!«, rief Larreto. »Wir machen's nicht mehr lange.«
    Unentwegt schöpften die Männer und schütteten den Inhalt der Gefäße über Bord. Die Geräusche der Wellen, des Windes und des Schiffes waren so misstönend und laut, dass die Ruderer sich nur schreiend unterhalten konnten. Auf den Zedernplanken zeichneten sich weiße Muster schlangenförmig ablaufenden Wassers ab. Jehoumilq drehte sich so weit herum, wie es die Knoten in den Haltetauen erlaubten, starrte schweigend auf das Meer hinter dem Heck und rammte Holx-Amr den Ellbogen in die Seite. Der Steuermann nickte. Jehoumilq löste leise fluchend die wulstigen Knoten der Tauschlingen, die sich wegen der ruckhaften Belastungen und der Nässe nur
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