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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler
Autoren: Hanns Kneifel
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schwer öffnen ließen, hielt sich am zersplitterten Heckzierrat fest und wischte mit dem Handballen das Wasser aus den Augen.
    »Schlagt das Segel auseinander!« Er kratzte sich zwischen den Beinen. »Die anderen, in der Bilge, versuchen, mehr Wasser aus dem Schiff zu schöpfen. Ich bring die Horus an den nächsten Strand. Los! Wir müssen den Wind ausnutzen. Verfluchter Neumondsturm!«
    Holx-Amr, der die Backbordpinne handhabte, hatte aufgehört, sich zu erbrechen. Sein Gesicht rötete sich. Er schwankte, an die Pinne geklammert, und schien, während er steuerte, langsam einzuschlafen. Er war völlig erschöpft und riss immer wieder den Kopf in den Nacken. Jehoumilq tappte auf Rebideka zu.
    »Sechs Mann zum Mast!«, rief er. »Karidon! Hilf ihnen. Bevor dieses Floß auseinanderbricht, müssen wir am Ufer sein. Wir haben ein ptahverdammtes Vermögen an Bord. Mein Vermögen, und deines, Kari!«
    Saigoos, Ptah-Netjerimaat, Jehoumilq und Mlaisso, der Riese aus Kush, schwankten entlang der Bordwände in die Richtung des Mastes, bemühten sich, die Knoten an den Säumen des Segels aufzuziehen, und Rebideka kletterte vorsichtig zur oberen Rah hinauf. Der durch die Nässe starre Stoff des Segels wurde mit aller Kraft auseinandergezerrt. Karidon und Holx warteten auf eine ruhig schwingende Dünungswoge und lenkten das vollgeschlagene Schiff, das den Rudern kaum gehorchte, aus dem Wind. Die glitschigen Flechtschnüre wurden um die Enden der Zedernholzrahen gewickelt und festgeknotet; als das breite Rahsegel in ganzer Breite ausgespannt war und in nassen Falten hin und her schwang, brachten die Steuermänner die Horus wieder in den Wind. Fluchend schöpfte die andere Hälfte der Mannschaft; ein großer Teil der Ladung schwamm unterhalb der Decksplanken.
    Die Horus wurde schneller. Der Himmel leerte sich; die Wolken lösten sich auf, und jede weitere Bö vertrieb die Kälte des Messes. Weißschäumende Brandung wurde deutlicher, ebenso schräg ansteigende Felsen, helle, von Schatten zerrissene Hänge und, zwischen säulenartigen Ecken, kleine Sandstrände. Jetzt halfen Wind und Strömung, schoben das Schiff neben den Riffen in jene Richtung, von der sich die Seefahrer Rettung versprachen. Jehoumilq schwankte zum Bug, beugte sich weit vor und starrte die Ufer an. Er drehte sich um, hob die Arme und brüllte:
    »Karidon! Halt auf die fünf Zedern zu.«
    »Ich kann sie sehen, Kapitän!« Vor drei Jahren hatte Karidon an diesem Strand gebadet. Er erinnerte sich an die halbmondförmige Fläche, zu der man lange und mühsam hinabsteigen musste. Wenn es ihnen gelang, das Schiff dort auf Sand zu setzen, war die Ladung gerettet; die Mannschaft schöpfte mit verdoppeltem Eifer. Der Kapitän wuchtete zwei Lukenplatten in die Höhe, ließ sich in den Laderaum fallen und packte einen ledernen Eimer, der zwischen Krügen und Ballen schwamm. Seine Stimme klang hohl, als er die Mannschaft anfeuerte. Holx-Amrs Augen waren gerötet, als ob sie bluteten, die Haut des Gesichts geschwollen; er spuckte auf Deck und sagte stockend:
    »Ich bin halbtot. Vor lauter Angst kann ich nicht mal pissen. Wie gehen wir's an, dort am Strand?«
    Karidon hatte zugesehen und mitgeholfen, wie das achtundvierzig Ellen lange Flussschiff abgedichtet, wie die Planken gegeneinander verzurrt worden waren. Schiffe, die nur den Hapistrom aufwärts und abwärts fuhren, taugten nicht für das Nördliche Meer. Er brauchte sich nicht vorzustellen, wie es unter der Wasserlinie aussah: er wusste es. Die Horus war nur noch für eine Fahrt von Kefti nach Men-nefer zu gebrauchen, bei spiegelglattem Meer und nach einer gründlichen Überholung in Mnis, Mulal oder Arni. Er zuckte mit den Schultern und hob den Arm. »Mit der größten Uferwelle einfach auf den Strand, Holx. Die Pinnen loslassen. Und kurz vorher die Rahleinen durchhacken. Chet, Ka und Ib der Horus , ihr Körper, die Lebenskraft und das Herz sind restlos dahin.«
    »Das gilt auch für mein Ka und Ib. Einverstanden. Runter von der Rah, Rebideka!«
    Karidon duckte sich, spähte unter der Rah und seitlich des Bugs zum Strand und visierte die Zedern an. Windschliff hatte ihre Kronen verformt; die Bäume sahen aus wie seltsame Pfahlbauten mit schrägem, grünem Dach.
    Das Schiff füllte sich trotz der Schöpfarbeit immer mehr mit Wasser. Unter einer Felswand und deren gezackter Oberkante, die sich scharf gegen den Abendhimmel abhob, sah Karidon den hellen Strand und den Wall des Treibguts. Der Sturm hatte Algenblätter und
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