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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler
Autoren: Hanns Kneifel
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Holz zwischen heruntergebrochene Felstrümmer geworfen.
    Karidon schätzte die Zeit, die ihnen noch blieb, und sagte leise: »Halt. Noch nicht losschneiden. Es gibt einen furchtbaren Ruck, Holx.«
    »Weiß ich längst. Ich will nur die Knoten lockern.«
    Karidon holte tief Luft. Ihn schwindelte, bunte Muster wirbelten vor den Augen. Er schrie: »Jehou! Kapitän! Noch hundert Atemzüge! Hört auf zu schöpfen, haltet euch fest.«
    »Ich hab's verstanden, Söhnchen. Runter vom Mast, Rebideka!«
    Unter Deck klapperten losgerissene Krüge. Wasser plätscherte, die Männer fluchten, ein Ruderer schrie schmerzerfüllt auf, dann schien jeder etwas gefunden zu haben, an dem er sich festhalten konnte. Karidon zog die bronzene Doppelaxt aus der Halterung an der Bordwand und sah, dass Holx sein Beil schon in der Hand hielt. Beide starrten die Wellen an, drehten die Köpfe und warteten auf den Kamm einer auslaufenden Dünungswoge. Ein paar Herzschläge lang war das Wasser trügerisch ruhig, dann toste eine Grundwelle aufwärts, hob und schüttelte das Schiff, der Mast knirschte, und Rebideka verlor den Halt. Er rutschte von der unteren Rah, kippte nach rechts und packte ein Tau.
    Wasser füllte Karidons Ohren; er sah nur den Schrecken in Rebidekas Gesicht, den weit aufgerissenen Mund, die entsetzten Augen, als das Tau aus seiner Hand glitt und er schwer auf die Planken schlug. Die Welle ließ seinen Körper kreiseln, er kam schwankend auf die Füße und prallte mit dem Rücken gegen die Bordwand. Karidon glaubte das Knacken der Knochen spüren zu können. Quälend langsam, wie es schien, langte ein Dreieck aus Wasser herauf, in einem verirrten Sonnenstrahl jadegrün leuchtend, bedeckte Kopf und Schultern Rebidekas und riss ihn über Bord. Wassertröpfchen und Luftblasen bildeten einen Wirbel im Sog hinter dem Segel, der Körper prallte zwischen zwei Klippen, die Arme und Beine schlenkerten, und Blut breitete sich im Wasser aus. Zweimal glaubte Karidon, der sich so weit über Bord beugte, wie es die Taue zuließen, in Strudeln und Wellenflanken braune Haut zu entdecken, aber Wellen und Strömung sogen den Körper in die Tiefe. Die Kraft des Sturms brach, wenn ein Menschenopfer dargebracht wurde; jeder Seemann wusste es. Jehoumilq hatte Karidon die Ausgeburt schwarzer Dämonenfurcht ungebildeter Ruderer ausgeredet.
    Das Heck hob sich im Wellental, dann der Bug, und als der vollgeschlagene Schiffskörper träge vom Wellenkamm hochgestemmt wurde, schrie Karidon: »Jetzt!«
    Die Beile fuhren fast gleichzeitig herunter und trafen die dicken Rahtaue, die sich schräg zur Oberkante der Bordwand spannten. Karidon musste zweimal zuschlagen; die Taue schnellten in Schleifen und Kreisen durch die Luft, versprühten Tropfen und hämmerten ins Segel, das breite Falten schlug. Die Welle brach sich kurz vor dem Strand, und die Horus wurde fünfzehn, zwanzig Schritte weit auf den Sand geschmettert, rutschte knirschend und mit krachendem Kiel über Geröll und Treibholz.
    Am Bug wölbte sich das Deck, noch ehe der Schiffskörper zur Ruhe gekommen war und anfing, sich schwer zur Seite zu legen. Die Enden der Steuerruder kippten in die Höhe, die Pinnen krachten auf die Heckplanken, Karidon und Holx-Amr wurden nach vorn geschleudert. Der Mast schwankte wild, das Deck brach und spie eine Masse graues Wasser zwischen den Planken aus. Gleichzeitig bogen sich Planken splitternd nach außen; ein Gemenge aus Wasser und Teilen der Ladung wurde aus den Seiten des Wracks gespült. Die Dünungswoge flutete zurück, rüttelte an der Horus und zerrte Krüge, Truhen und Lederhäute mit sich. Karidon hackte das Haltetau durch, richtete sich auf und löste die Schlingen um seine Hüften. Ein handbreiter Streifen Haut rund um seinen Körper begann zu bluten.
    »Hier sind wir, Kefti«, murmelte Karidon. »In Stücken, aber lebend.«
    Kapitän Jehoumilq war als erster an Deck und schrie: »Sucht nach Rebideka! Eine letzte Anstrengung, Männer! Sammelt die verfluchte Ladung zusammen!« Er sprang in den Sand und blieb liegen; die Erleichterung lahmte ihn fast. Karidon fühlte nur einen stechenden Augenblick lang Trauer über den Tod des Ruderers; seine Finger und Knie begannen zu schlottern. Er machte zwei Schritte, fiel halb über die Bordwand und schloss die Augen. Die Stille dröhnte und summte in seinen Ohren; er zwang sich, die Schmerzen zu unterdrücken und ruhig zu atmen. Er vergaß, nachdem sich das Schiff langsam, mit schrecklichem Geräusch nach Steuerbord
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