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Der böse Geist vom Waisenhaus

Der böse Geist vom Waisenhaus

Titel: Der böse Geist vom Waisenhaus
Autoren: Stefan Wolf
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ging’s nach Pürkheim,
links nach Wachrode. Die dritte Richtung, aus der die beiden Jungs gekommen
waren, führte zur Stadt. Laut Beschilderung waren es 18 Kilometer — auf
direktem Weg.
    Klößchen verbrauchte fünf
Papiertaschentücher, um die Schlammspritzer breitzureiben. Das Papier rieb sich
auf. Er war jetzt bedeckt mit weißen Fusseln.
    „Hör doch auf damit!“ sagte
Tim. „Sie muß in die Reinigung.“
    „Das bezahlt uns aber der
Kerl.“
    „Wenn du willst. Seine Nummer
habe ich. Hast du gesehen, wer drin saß?“
    „Genau“, nickte Klößchen. „Ein
Typ. Schwarzer Bart. Brille. Sah aus wie ein persischer Teppichhändler.“
    „Er muß aus Richtung Pürkheim
gekommen sein.“
    „Oder aus Wachrode.“
    Tim schüttelte den Kopf. „Da!
Das Umleitungsschild.“
    Es stand etwas versteckt neben
einem Strauch vor der Abzweigung nach Wachrode.
    GESPERRT WEGEN STRASSENARBEITEN
IN BEIDEN RICHTUNGEN — UMLEITUNG ÜBER FEILNBACH
    „Der deutsche Straßenarbeiter“,
sagte Klößchen, „ist immer im Einsatz. Fahrbahn auf, Fahrbahn zu. Was wären
unsere Straßen ohne die Baustellen! Langweile Stau-Strecken ohne die
Möglichkeit, Gefühle rauszulassen. Wutgefühle, meine ich. Müßtest meinen Vater
mal hören, wenn er’s eilig hat und vor den Baustellen warten muß.“
    Tim blickte in Richtung
Pürkheim.
    Die Straße verschwand zwischen
grünen Hügeln, aber erst nach etwa 800 Metern. Ihm blieb also Zeit, sich
vorzubereiten, sobald der Geldtransporter auftauchte.
    „Ich lege mich auf die
Fahrbahn“, sagte Tim, „täusche einen Unfall vor und bleibe, sobald sie halten,
vor dem Wagen. Irgendwie bringe ich den Schengmann dazu, daß er aussteigt. Nach
Hinterhalt sehen wir ja wirklich nicht aus. Außerdem kennt uns der Typ.“
    „Aber er liebt uns nicht“,
feixte Klößchen. „Weißt du was: Ich lege mich neben dich auf die Straße. Dann
lohnt sich’s, daß wir die Jacken in die Reinigung geben.“
    Tim sah sich um. Felder,
Wiesen, Hügel, Wald in der Ferne, Berge dahinter. Der Nebel hatte sich
gelichtet. Der Blick konnte jetzt schweifen. In Richtung Stadt zum Beispiel, wo
von der Hügelkuppe zwei Fahrzeuge heranpreschten. Ein Polizeiwagen voran mit
rotierendem Blaulicht. Dahinter die Ambulanz, der Krankenwagen.
    Sie kamen heran.
    Tim und Klößchen hatten sich in
Sicherheit gebracht jenseits des Chausseegrabens, der hier verlief.
    Aber Polizei und Notarzt fuhren
manierlich durch die Kurve, obschon sie’s eilig hatten und gleich wieder
aufdrehten, daß der Fahrtwind pfiff.
    „Sieht nach schwerem Unfall
aus“, sagte Klößchen.
    „Vielleicht war der Audi
beteiligt.“
    „Du meinst, weil er so gerast
ist.“
    „Gerast, geflohen. Der
Geschwindigkeit sieht man nicht an, was dahintersteckt.“
    „Uih! Du kannst recht haben.
Macht einen Unfall und dann Fahrerflucht. Und uns bespritzt er mit Schmutzwasser.
Schwarzbart ist ein Monster.“
    „Ob der Geldtransporter in den
Unfall verwickelt ist“, überlegte Tim laut — und stieg auch schon auf sein
Rennrad. „Komm, Willi! Wir fahren hinterher. Den Schengmann können wir überall
stoppen.“

6. Tödliches Müsli
     
    Wohnung? Sollte sowas eine
Wohnung sein? Ein Hinterhofzimmer, keine Küche, kein Bad. Dennoch: Erwin Vleske
war’s zufrieden. In seiner Situation! Er konnte froh sein, daß er ein Dach
überm Kopf hatte.
    Vleske lebte vom
Arbeitslosengeld. Aber eigentlich war er — nach Verbüßung seiner Haftstrafe —
abgeglitten zum Penner. Manchmal gesellte er sich zu denen. Dort hatten sie ihm
auch seinen Spitznamen angehängt: Rotbart.
    Doch etwas in ihm, Vleske,
wehrte sich noch gegen die totale Verwahrlosung. Dann benützte er das Etagenbad
in dem alten Mietshaus vorn und machte einen Menschen aus sich. Er stutzte auch
den Bart. Kurz — so mochte ihn Katrin. Als Dreitagebart — na, allenfalls fünf
Tage.
    An diesem Nachmittag saß Vleske
am Fenster und beobachtete die Tauben im Hof.
    Die Wohnung drüben im Parterre,
die den Breukhoffs gehörte, war still. Er und sie bei der Arbeit — Elektriker
und Bürokraft. Nur Katrin war zu Hause.
    Jetzt trat sie aus dem Haus und
kam über den Hof.

    Vleskes Gesicht wurde heiß.
    Sie trat ein, ohne anzuklopfen.
    „Schläfst du, Vleske?“
    Auch unter vier Augen nannte
sie ihn so — im Beisein der Eltern immer „Herrn Vleske“.
    Katrin war 13, ihr letzter
Geburtstag lag erst Wochen zurück. „Was ist, Katrin?“
    Sie hatte grüne Augen und einen
kindlichen Schmollmund. In wenigen Jahren würde sie zur
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