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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
Autoren: Martin Clauß
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halten sie es ruhig, denken Sie an Ihren Vater.“
    Es dauerte keine zehn Sekunden, da schlug das Pendel leicht zu einer Seite aus. „Mache ich das selbst?“, erkundigte sich die Frau verschüchtert.
    „Gewissermaßen schon.“ Margaretes Stirn lag in Falten. Sie betrachtete das Eisenregal, in dessen Richtung der Ausschlag erfolgt war. Es war voll mit Masken und Figuren aus dem Kunstunterricht. Ein Objekt nach dem anderen nahm sie in die Hand und hielt es neben das Pendel. Dieses reagierte nicht. Es schlug weiterhin schwach aus, aber immer in dieselbe Richtung.
    Irgendwann hatte Margarete alle Gegenstände durch, und Heidelinde Reich musste den Arm senken, der taub geworden war.
    „Es ist keines von diesen Dingen. Etwas befindet sich hinter dem Regal.“ Die Hexe streckte die Hand zwischen den Ebenen hindurch und klopfte gegen die Wand.
    Die beiden Frauen zuckten simultan zusammen. Es klang hohl!
    Die Wand hinter dem Eisenregal verbarg etwas – einen weiteren Raum.
    Margarete tastete die Wand weiter ab und sah die Lehrerin dann an. „Da ist eine Tür unter der Tapete. Wir müssen das Regal abmontieren. Es reicht, wenn wir die niedrigen Böden ausbauen. Die ganz oben lassen wir, damit das ganze stabil bleibt. So hoch geht die Tür nicht, schätze ich.“
    Obwohl sie auf Anhieb Werkzeug fanden, war es eine langwierige Arbeit, die eingerosteten Schrauben zu öffnen und die schweren Eisenböden heraus zu hieven. Nach einiger Zeit streckte ein ältlicher Lehrer seinen Kopf herein, um zu sehen, woher der Lärm kam. Margarete spannte ihn ein, und es ging etwas schneller vorwärts.
    Mit einem Schnitzmesser, das sie zwischen den Kunstgegenständen gefunden hatte, zerschnitt sie kurzerhand die Tapete an der Stelle, wo sich ein Spalt abzeichnete, und die Tür ließ sich mit einem kleinen Hebel leicht aufwuchten.

10
    Der Hohlraum maß etwa einen auf einen Meter und hatte gewiss einmal als Besenkammer fungiert. Mit Ausnahme einiger alter Schachteln und Dosen, die geöffnet auf dem Boden lagen, war er leer. Der Raum sah ein wenig aus wie ein Unterschlupf, in den sich jemand zurückgezogen hatte, und irgendetwas in der Atmosphäre der engen Kammer schien anzudeuten, dass sich noch vor kurzem etwas Lebendiges hier aufgehalten hatte. Natürlich war das unmöglich, denn es gab nur diese eine Tür, und die war bis eben von einem schweren Eisenregal verstellt gewesen – seit vielen Jahren, wie die Lehrerin versicherte.
    „Ich muss mit Sandra reden“, sagte Margarete. „Sie hat davon gesprochen, dass das Ungeheuer eine Höhle hat. Wenn es nicht ausgeschlossen wäre, würde ich sagen, wir haben sie gefunden.“
    „Gerade ist mir ein verrückter Gedanke gekommen“, meinte Heidelinde Reich. „Was ist, wenn Max Unterberger, der Junge, der damals den Unfall meines Vaters verursacht hat, sich hier versteckt hatte?“ Sie hob die Dosen vom Boden auf, doch der Rost hatte die Aufschriften unlesbar gemacht. Mit den Pappschachteln hatte sie mehr Glück. Es waren Schokokekse. Das Haltbarkeitsdatum war noch zu erkennen: Dezember 1986. „Wie lange er wohl hier war?“
    „Vielleicht wollte er nicht mehr hinaus. Vielleicht wollte er hier sterben“, dachte Margarete laut nach. Der Lehrer verfolgte ihre Unterhaltung fasziniert. „Oder jemand hat ihn eingesperrt, quasi lebendig eingemauert …“
    Die Lehrerin strich über den Türrahmen. „Die Tür zu, eine Tapete drüber, das Eisenregal davor … Aber … dann müsste sein Skelett noch hier sein.“
    „Nicht, wenn er sich verändert hat.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Ja, wie meinen Sie das?“, fragte der Lehrer.
    Da musste Margarete selbst überlegen. Wie meinte sie das? Sie versuchte sich in den zehnjährigen Max hineinzuversetzen. Mit einem Bärenfell, das er vielleicht sogar in diesen Räumen gefunden hatte (die Tür stand bestimmt manchmal offen), hatte er seinen Lehrer erschreckt. Bestimmt hatte es ein Spaß sein sollen, ein Spiel, doch als Jürgen Reich sich das Genick brach, bekam Max einen Schock und rannte weg, so schnell er konnte. Er rannte nicht nach Hause, wo ihn alle suchen würden, sondern versteckte sich mitten im Schulgebäude, in dieser kleinen Kammer. Ein paar Nahrungsmittel fand er irgendwo, vielleicht verließ er das Versteck (seine Bärenhöhle) auch später noch einmal, um etwas zu holen. Wahrscheinlich verlor er den Verstand, auf irgendeine von den tausend Arten, die es gab. Es war denkbar, dass einer der Lehrer von dem Versteck des Jungen wusste und ihn
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