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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Autoren: Marie Cristen
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war dem Wahnsinn nahe vor Verzweiflung. In diesem Zustand konnte sie nichts mehr erklären.«
    »Du
musst
es wissen.«
    Leena schüttelte wie unter Zwang den Kopf.
    »Ich habe dich als meine Tochter angenommen«, sagte sie müde, aber doch laut genug für die an der Holzwand lauschende Sizma. »Aliza, dein Platz ist bei uns. Du wirst woanders keinen besseren finden. Du bist keine Tamara, aber du bist und bleibst ausgestoßen wie wir.«
    Das neue Wissen brach wie eine Sturmflut über Aliza herein. Sie wusste nicht, was sie damit anfangen sollte.
    »Vielleicht hättest du mich besser sterben lassen, Leena«, antwortete sie schließlich heiser.
    Sizma entlockte sie mit dieser Antwort ein grimmiges Schnauben.
    Leena presste die Hand auf ihr stolperndes Herz. Aliza hatte sie nicht mehr Mutter genannt.
    Beatrix von Burgund
Der Königshof zu Würzburg, 13. Juni 1156
    D as Bett war Zuflucht und Insel zugleich. Schleiervorhänge trennten es vom übrigen Gemach und verschafften Beatrix die Illusion von Abgeschiedenheit. Endlich musste sie nicht länger die Augen niederschlagen, sich sittsam, schweigsam und fromm in ihre neue Rolle fügen.
    Die Stirn nachdenklich gefurcht, die Augen auf das Webmuster der Bettdecke gerichtet, ohne es tatsächlich zu sehen, überdachte sie die vergangenen Tage.
    Dem Lärm des Festes lauschend, das unter den Gewölben der großen Halle ohne sie seinen Fortgang fand, wurde ihr klar, dass niemand sie vermisste. Schon gar nicht der Kaiser, ihr Mann. Barbarossa nannten Friedrich von Hohenstaufen die, die bei der Kaiserkrönung in Rom dabei gewesen waren und nun seinen engsten Rat bildeten, weil das Blond von Haar und Bart zum Rot tendierte. Sie feierten seinen Triumph.
    Sosehr Beatrix sich auch bemüht hatte, die Anstrengung zu verbergen, ihre zunehmende Blässe war dem Kaiser nicht entgangen. Er hatte ihr erlaubt, sich zurückzuziehen. Hochzeit, Hoftag, Bankette und Empfänge verwirrten und überanstrengten sie. Keiner konnte sich vorstellen, was es für sie bedeutete, nach dem ruhigen Klosterleben unvermutet solchem Trubel ausgeliefert zu sein. Friedrich hielt ihre Schwäche einfach für ein Zeichen von Empfindsamkeit, die er ihr als Frau und ihrem zierlichen Wuchs zuschrieb.
    »Wie klein sie ist«, war auch seine erste Reaktion, als er sie zum ersten Mal sah. Es klang enttäuscht.
    Sicher, sie war klein, aber keine Zwergin. Außerdem rühmte man ihre Schönheit, ihre Wohlerzogenheit und ihre Frömmigkeit. Er hatte keinen Grund, enttäuscht zu klingen.
    Aber weder der Erzbischof von Besançon noch Dietrich von Mömpelgard, die sie beide nach Würzburg begleitet hatten, fanden es der Mühe wert, dem Kaiser zu erwidern. Er sprach schließlich von der Erbin von Burgund, von seiner Braut, der künftigen Mutter seiner Kinder. Gerne hätte sie ihm selbst geantwortet, aber im letzten Augenblick erinnerte sie sich an die Ermahnungen der Mutter Äbtissin und schwieg.
    Seit dem Tod ihres Onkels und Vormunds, Wilhelm von Mâcon, waren der Erzbischof und Mömpelgard ihre engsten Verwandten. Ihre Familie. Sie hatten diese Eheschließung gefördert, die Onkel Wilhelm bis zu seinem Dahinscheiden so vehement bekämpft hatte. Ihm war nicht daran gelegen gewesen, dass Burgund in Stauferhände fiel. Nach Friedrichs Besuch in Burgund vor drei Jahren war ihre Abgeschiedenheit im Kloster von Dôle zu einer Art Gefangenschaft geworden. Am liebsten hätte der Onkel gesehen, dass sie für immer den Schleier genommen hätte. Als Braut Christi wollte er sie segnen, nicht als die eines weltlichen Herrschers, der ihm die Regierung über die burgundischen Gebiete entzieht, die zu ihrer Mitgift gehörten.
    Es war anders gekommen. Nach Wilhelms Tod im vergangenen Herbst hatten sich die Dinge förmlich überstürzt. Schon im Januar war zu Straßburg der Heiratsvertrag mit Friedrich von Hohenstaufen aufgesetzt worden, energisch befürwortet von Matthäus von Oberlothringen, der mit einer Schwester des Kaisers verheiratet und zudem der Bruder von Beatrix’ verstorbener Mutter war. Ihm lag eine Menge daran, der Familie ihr Erbe zu sichern. Man hatte sie in Dôle vor vollendete Tatsachen gestellt und sie auf den Weg zu ihrem künftigen Ehemann gebracht.
    Um ihre Meinung hatte niemand sie gebeten.
    Am 9 . Juni hatte sie zunächst Erzbischof Hillin von Trier in Worms empfangen und sie zur deutschen Königin gekrönt. Erst anschließend war sie nach Würzburg zu ihrer Hochzeit mit Friedrich von Hohenstaufen gereist. Einen besonderen
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