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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Autoren: Marie Cristen
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Vertrauensbeweis des Kaisers nannten ihre Verwandten die vorgezogene Königskrönung. Mit Gehorsam und Demut sollte sie Friedrich dafür danken.
    Gehorsam war ihr aus dem Klosterleben vertraut, doch wofür sollte sie dankbar sein? Sollte nicht umgekehrt der Kaiser ihr für den Machtzuwachs dankbar sein, der ihm durch die Ehe mit ihr zuwuchs?
    Ein aufrührerischer Gedanke?
    Beatrix war in Dôle nach dem Tod ihrer Eltern umfassend erzogen und unterrichtet worden. Sie beherrschte Französisch, Lateinisch, Italienisch und Deutsch in Wort und Schrift, konnte reiten, die Laute spielen, und ihre Nadelarbeiten entzückten die Nonnen. Von den Mönchen war sie zudem in den wichtigsten freien Wissenschaften unterrichtet worden. In Rhetorik, Grammatik und Dialektik geschult, las sie die Schriften der Kirchenväter im Original und wusste über Arithmetik, Geometrie und Astronomie Bescheid. Dass Musik und Poesie ihr von allem das größte Vergnügen bereiteten, blieb ihr Geheimnis.
    Zu ihrer Mitgift zählten neben erheblichen Vermögenswerten fünftausend Bewaffnete, die Stadt Besançon und andere Rechtstitel im Burgundischen sowie die Grafschaft Mâcon.
    Dass es Friedrich bislang an den nötigen Mitteln gefehlt hatte, um seine Herrschaft über das Kaiserreich zu festigen, war Beatrix nicht verborgen geblieben.
    Nicht ihr Liebreiz hatte ihn in diese Ehe gelockt, sondern ihr Vermögen.
    Die Ländereien ermöglichten es ihm, gefahrlos die Alpen in Richtung der reichsitalischen Gebiete zu überqueren, um seine Ansprüche auf die Städte und Domänen des Südens geltend zu machen.
    Ihre Erziehung hatte Beatrix darauf vorbereitet, Fürstin oder Äbtissin zu werden. Sie durchschaute Friedrichs Motive, ohne gekränkt zu sein, aber es hätte ihr dennoch gefallen, wenigstens ein paar Worte des Wohlwollens zu hören, und nicht dieses enttäuschte »Wie klein sie ist …«. Das Schlagen eines Truhendeckels erinnerte sie daran, dass sie trotz aller Abgeschiedenheit hinter den Schleiern des Bettes nicht allein war. Ihre Ehrendamen legten die Gewänder für den nächsten Tag bereit.
    In den Truhen befand sich eine solche Überfülle von Kleidern, Hemden, Strümpfen, Schuhen, Gürteln und Tand, dass Beatrix’ Wahrnehmung die einzelnen Dinge gar nicht mehr zugänglich waren. Sie wertete die Ereignisse in der Regel kritisch, und zog darüber in Gedanken den Vergleich mit dem Goldenen Kalb. Würzburgs neugieriger Menge zum Tanz ausgestellt, war sie das Symbol, dass Friedrich mit dem Segen der Kirche und des Adels regierte.
    Mit Macht unterdrückte Beatrix ein aufsteigendes Heimweh. Würde sie Burgund je wiedersehen?
    Friedrich hatte bisher kein Wort darüber verloren, wo sie mit ihm wohnen würde. Würzburg war nur für die Spanne der Heirat und des Hoftages seine Residenz. Welche Pfalz sollte ihre neue Heimat werden? Mussten sie wirklich ununterbrochen das Reich bereisen, um seine kaiserliche Macht zu demonstrieren, wie man ihr in Dôle versichert hatte? Beim nächsten Wiedersehen wollte sie ihn fragen.
    Würde er sie heute noch aufsuchen?
    Seit der peinlichen Zeremonie am kaiserlichen Hochzeitsbett hatte er ihre Schlafkammer kein zweites Mal betreten. Mit Schaudern erinnerte sie sich daran, wie sich der Hochadel um ihr Bett gedrängt hatte, während der Bischof die Laken mit geweihtem Wasser segnete. Sie war sich der Wärme des riesigen Männerkörpers ebenso bewusst gewesen wie der neugierigen Blicke. Was würden sie alle wohl gesagt haben, wenn sie erfahren hätten, dass nach ihrem Abgang nichts geschehen war?
    »Ich wünschte, sie hätten mir nicht verschwiegen, dass du fast noch ein Kind bist. Ich will dir nicht weh tun. Es scheint, als müsste noch einige Zeit vergehen, ehe du im Stande sein wirst, meine Kinder auszutragen«, hatte Friedrich seine Zurückhaltung begründet.
    Beatrix hatte nicht gewusst, was sie darauf hätte antworten sollen. Im ersten Moment war sie einfach erleichtert gewesen, dass ihr zumindest in dieser Nacht erspart blieb, was die Mutter Äbtissin als eine heilige Pflicht bezeichnet hatte. Es war bei einem Kuss auf die Stirn geblieben und bei ihrem Erstaunen darüber, dass er Rücksicht auf sie nahm. Niemand hatte je Rücksicht auf sie und ihre Gefühle genommen.
    Inzwischen hatte sie erkannt, dass Friedrich Söhne und Erben brauchte. Ihre Pflicht war es, sie zur Welt zu bringen. Sie zupfte gedankenverloren an ihrer Nasenspitze, eine Angewohnheit, die die Mutter Äbtissin stets streng getadelt hatte.
    »Gott befohlen,
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