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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Unbekannter Autor
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auf der ersten Seite dieses Buches, daß die Sache mit dem Baum der Erkenntnis eine gutgetarnte Falle des Schöpfers war, um den beiden mißlungenen Kreaturen kein ewiges Leben im Paradies gewähren zu müssen.
    Warum hätte Gott sonst Seine feierliche Warnung, »An dem Tage, da du vom Baum der Erkenntnis issest, mußt du des Todes sterben«, nicht ernst gemacht, sondern gleich nach der Ausweisung Adam und seiner Lebensgefährtin eigenhändig »Röcke von Fellen« gemacht und ihnen sogar angezogen? Also war der Allmächtige trotz der dramatischen Cherub-Einlage mit dem flammenden Schwert von den Ereignissen nicht allzu überrascht. Und wer an dieser Hypothese noch immer zweifelt, sollte das Schicksal der unglücklichen Schlange genauer untersuchen. Die Schlange, die die Schmutz arbeit für den Herrn erledigen mußte, wurde wie ein entlarvter Doppelagent behandelt und in einem Schauprozeß ausgerechnet von ihrem Auftraggeber verurteilt. »Auf deinem Bauch sollst du kriechen«, lautete das Urteil, obwohl jedes Kind weiß, daß eine Schlange sonst auch nichts anderes tut. Und warum wurde die sündige Anstifterin nicht ebenfalls aus dem Paradies vertrieben, sondern kriecht dort bis zum heutigen Tage freudig herum?
    Seltsam, nicht wahr?
    *
    Seither suchen die Menschen erfolglos das verlorene Paradies, wie es der blinde englische Dichter John Mil-ton in seinem Epos so schön besungen hat. Aber seit Moses ist es keinem mehr gelungen, in direkten Kontakt mit dem Allmächtigen zu kommen.
    Der Schöpfer selbst mußte fortan damit leben, daß die Krone der Schöpfung nicht nur sexbesessen ist, sondern gelegentlich auch vor einer kleinen Hochstapelei nicht zurückscheut. Schon bald mußte Gott mitansehen, wie Jakob seinen Bruder Ezra mit einem fiesen Trick um sein Erstgeburtsrecht brachte, bis auch Ezra von seinem Onkel Laban und seinen Töchtern gleich zweimal hereingelegt wurde. Da hatte Gott endgültig genug und beschloß, für die kommenden Generationen klare Spielregeln zu entwerfen.
    Die Idee der Zehn Gebote war geboren.
    Und so sitze ich jetzt in meinem biblischen Alter an meinem Schreibtisch, und je intensiver ich mich mit diesem Thema beschäftige, desto klarer wird mir, daß ich während der vergangenen 50 Jahre nichts anderes getan habe, als meinen Lesern Tips zu geben, wie die Zehn Gebote legal zu umgehen sind. Meine Satiren sind die humoristische Gebrauchsanweisung dazu, und nichts anderes.
    *
    Mein Sarkasmus soll jedoch niemanden irreführen. Ich halte die Bibel für das bedeutendste und packendste Buch der Weltgeschichte und die Zehn Gebote für die moralische Grundlage der menschlichen Gesellschaft. Aber kein Satiriker kann religiös sein. Die Religion duldet nämlich keine Kritik, der Satiriker aber ist die Kritik in Person. Götter aller Religionen werden zwangsläufig mit Lobeshymnen überschüttet, sie haben auch viele gute Eigenschaften, aber niemals Sinn für Humor. Der Satiriker ist niemals fanatisch. Humor ist nichts anderes als eine endlose Suche nach der Wahrheit, die sich hinter schönen Worten verbirgt. Der Satiriker ist das Gegenteil eines Heuchlers. Er bewundert und verehrt den Schöpfer des Universums, hat aber wenig Vertrauen in seine irdischen Vertreter. Nach seiner Meinung ist Religion eine Erziehungsmaßnahme, wie etwa die Lehre des Konfuzius, sie kann auftreten als Schwert zur Verbreitung des militanten Islam oder auch ein weltweiter Missionsauftrag im Zeichen des Kreuzes sein. Fast alle Religionen sind jüdischen Ursprungs, aber auch unser Glaube ist in den Augen der Satiriker nichts anderes als ein bürgerliches Gesetzbuch, geschrieben vom Anführer eines kleinen Stammes, der zufällig ein Universalgenie war.
    Der Humorist ist der Gefangene seiner Logik. Er kann beim besten Willen nicht glauben, er kann nur beobachten und festhalten, was er gesehen hat. Er muß aber zugeben, daß die fromme Denkart überraschenderweise bessere Menschen hervorgebracht hat als die moderne Zivilisation, daß die belächelte koschere Küche die Jugend besser erzogen hat als die heutige Computertechnologie.
    Wegen dieser widersprüchlichen Haltung wurde ich zweimal als scharfer Religionskritiker vom israelischen Oberrabbinat exkommuniziert und zweimal vom selben Oberrabbinat wieder aufgenommen, als ich mich von der positiven Wirkung des Glaubens überraschen ließ. Während meiner linguistischen Romanze mit dem Alten Testament habe ich auch gelernt, die Thesen nicht dogmatisch und nicht wortwörtlich zu
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