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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Unbekannter Autor
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Wüste.
    Seither hat sich nicht viel verändert. Höchstens die Wüste.
*
    In der Bibel steht demnach fast alles, nur nichts Gutes über den menschlichen Charakter. Man wird den Eindruck nicht los, daß Gott der Herr ziemlich schnell den Konstruktionsfehler erkannte und daraus weitreichende Konsequenzen zog. Es ist gewiß kein Zufall, daß während der ersten fünf Tage Gott der Herr nach jedem neuen Schöpfungsakt sah, »daß es gut war«, und Er lediglich, als Er den Menschen geschaffen hatte, auf diesen Kommentar verzichtete. Intuition? Wer weiß.
    Auf alle Fälle kann man die Erklärung des Herrn, den Menschen nach Seinem Bilde geschaffen zu haben, eigentlich nur als scharfe Selbstkritik interpretieren. Schon im 3. Kapitel der Genesis sah sich Gott gezwungen, die beiden Faulpelze aus dem Paradies auszuweisen, und schon im nächsten Kapitel tötet Kain seinen Bruder. Rasch mußte der Allmächtige erkennen, daß der Mensch nicht nur schlecht, sondern auch noch unverschämt ist. Nachdem Kain seinen Bruder Abel umgebracht hatte, wollte er sich bekanntlich im Garten Eden verstecken, genau wie sein einfältiger Vater, und auf die Frage des Herrn nach Abel, entgegnete er frech: »Was weiß ich? Bin ich etwa meines Bruders Hüter?« Als hätte er nicht gewußt, daß ihm der allmächtige Schöpfer des Universums auf die Schliche kommen würde.
    Der Herr machte keinen Hehl aus Seiner Meinung über den schwachen Charakter Adams, seiner Rippe und beider Nachwuchs. Im 6. Kapitel der Genesis äußerte Er unmißverständlich Sein Bedauern über das Fiasko, das Ihm unterlaufen war: »Der Menschen Bosheit ist groß auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse immerdar.« Daß Er die Menschen dann doch nicht »von der Erde tilgte, denn es reut Mich, daß Ich sie gemacht habe«, ist aus schließlich Noahs Verdienst.
    Es gelang dem Gerechten, das göttliche Urteil kurzfristig hinauszuzögern, aber noch im selben Kapitel teilt ihm der Herr mit, daß es Ihm nun endgültig reiche: »Das Ende allen Fleisches ist bei Mir beschlossen, denn die Erde ist voller Frevel. Ich will sie verderben mit der Erde.« Noah riskierte die Frage, was denn mit ihm persönlich geschehen solle, aber der Herr beschränkte sich auf die Auskunft, daß von Ihm aus die Sintflut kommen könne.
    Dies war nicht der einzige Fall, bei dem der Allmächtige die Menschen aus dem Verkehr ziehen wollte, aber immer wieder gelang es einem Seiner engsten Mitarbeiter, Ihn mit schlauen Argumenten von seinem Entschluß abzubringen. Besser als allen anderen gelang dies Moses, der im Laufe der Jahre zum Staranwalt der menschlichen Überlebenskunst avancierte. Als der Barmherzige nach dem unverzeihlichen Skandal mit dem Goldenen Kalb zum zwölften Mal erklärte: »Mein Zorn über das halsstarrige Volk wird entbrennen und es vertilgen«, wußte Moses schon, wie er Gott behandeln müsse, und fragte Ihn nicht ohne sarkastischen Unterton, ob es sich unter diesen Umständen gelohnt hätte, das auserwählte Volk aus der Sklaverei zu befreien. »Sollen die Ägypter vielleicht behaupten, Du hättest uns aus ihrem Land geführt, um uns umzubringen?« fragte Moses. Gott der Herr konzedierte kleinlaut, dahinter stecke ohne Zweifel eine gewisse Logik, und Ihn »gereute das Unheil, das Er dem Volk zugedacht hatte«. Es gelang Moses also, den Zorn des Herrn nochmals abzuwenden, aber an dessen schlechter Meinung änderte sich grundsätzlich nichts. Warum aber hat Gott den Menschen dann nicht gleich besser gemacht? Vermutlich hat Gott trotz aller guten Absichten nur ein einziges kleines Detail übersehen - den Sex.
    Es steht bereits in der Genesis, daß Adam und sein Weib ursprünglich »beide nackt waren und sich nicht schämeten«. Gott meinte also, daß die Menschen ohne Sex im Paradies bis in alle Ewigkeit zufrieden gewesen wären. Adam und Eva aber hatten da so eine Ahnung und ließen sich auf die Schlange ein. Sie versprach ihnen, wenn sie in den verbotenen Apfel gebissen hätten, würden sie selbst werden wie Gott und wüßten, was wirklich gut ist. Der Rest ist bekannt. Nach der Erbsünde »wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, daß sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich eine Schürze«. Und bis heute ist die Frage unbeantwortet geblieben, ob es sich gelohnt hat, für ein bißchen Liebe das Paradies zu verlassen.
    Damit muß eben jeder selbst fertig werden. Ich persönlich teile den Verdacht des Wurms im Apfel
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