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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Unbekannter Autor
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ein so hartnäckiges Volk kann wirklich nur von einem Gott geführt werden. Moses war so dankbar für den guten Rat, daß er daraufhin Jethros Tochter Zipora heiratete, die zwar keine Jüdin, aber eine schwarze Schönheit war. Gott selbst hatte keine Einwände gegen diese Mischehe, aber Moses' eifersüchtige Schwester Mirjam hetzte solange gegen sie, bis Gott sich schließlich doch einmischte und Mirjam mit Lepra zum Schweigen brachte.
    Es war einer der seltenen Fälle, in denen der Herr seinem treuen Diener persönlich zu Hilfe eilte. Auch während des Skandals mit dem Goldenen Kalb ließ Gott Moses ganz allein mit den 3000 Götzenanbetern fertig werden. Nur einmal noch griff Gott persönlich ein. Als Moses' glatzköpfiger Neffe Korah mit seinen 250 Kämpfern einen Putsch anzettelte, weil Moses ihn nicht zum obersten Religionsvorsteher ernennen wollte, ließ der Allmächtige Korah mit seiner ganzen Meute von der Erde verschlingen. Moses war zweifelsfrei erleichtert, aber von nun an mochte er keine Kahlköpfe mehr leiden. In seinem dritten Buch widmete er ihnen ganze vier Verse und beauftragte seine Priester, alle Glatzköpfigen streng zu observieren.
    Auch Moses war nur ein Mensch.
    Nach 40 Jahren Wüstenwanderung gewährte ihm Gott noch ein Leben von 120 Jahren, und das war eigentlich recht wenig im Vergleich zu Noah, der 600 Jahre alt wurde und zu Methusalem, der ein gesegnetes Alter von 969 Jahren erreichte. Moses war es nicht mehr vergönnt, das verheißene Land zu betreten, aber die Zehn Gebote, sein Hauptwerk, gingen für ihn um die ganze Welt und sind lebendig bis zum heutigen Tage.
*
    Ein geistiger Riese nahm mit Moses Abschied, ein großer Lehrer, der schlechte Schüler gehabt hat. Nach meiner Einwanderung habe ich in einer Vollmondnacht eine kleine biblische Geschichte darüber geschrieben.

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SECHS SEELEN UND DIE ZEHN GEBOTE
    Die Nacht senkte sich über das Zeltlager. Unruhe herrschte unter den Kindern Israels. Jetzt war es schon Wochen her, daß Moses sich oben auf dem Berg befand, und noch immer hatte man nichts von ihm gehört. Die Juden standen in kleinen Gruppen herum und diskutierten. Besonders gern sprachen sie über die vielen Unglücksfälle, die ihnen auf der langen Wanderung aus Ägypten zugestoßen waren.
    Ein trockener Wüstenwind wehte den Sand in heißen Wirbeln vom Berge Sinai herab. Das Vieh zerrte an den Halftern und brüllte ängstlich in die dunkle, trostlose Einöde rings herum. Schakale umschlichen das Lager. Ihr Lachen klang beinahe menschlich. Stumm und drohend ragte der Berg in die Nacht.
    In einem der größeren Zelte saßen schweigende Männer in farbigen Burnussen. Sie regten sich auf. Ihre Augen zwinkerten durch das Zwielicht. Die Weiber saßen in einer Ecke und trockneten sich mit öligen Lappen den Schweiß von den Gesichtern.
    Einer der Männer, eine hohe bärtige Erscheinung, ergriff das Wort:
    »Jochanan gibt«, sagte er. »Doktor Salomon, heben Sie ab.«
    Dr. Salomon hob ab, und der untersetzte, kraushaarige Jochanan begann zu geben. Seit dem frühen Nachmittag war die Pokerpartie im Gange. Vor Jochanan häuften sich die Goldkörner. »Unser Freund hat Glück«, brummte Pinky Goldstein, ein grimmiger Geselle mit ewig zerrauftem Scheitel. »Er raubt uns ganz schön aus.«
    »Was hat er davon«, vernahm man aus der Ecke Joch-anans Weib. »Was kann ich mir dafür schon kaufen. Bei der Auswahl, die man hier hat. Wachteln oder Manna. Und zur Abwechslung Manna oder Wachteln. Eines Tages werden mir noch Flügel wachsen, und weg bin ich. Es ist zum Verzweifeln. Keine Gurke, keine Tomaten, keine Zwiebeln, kein Knoblauch. Nicht für alles Gold der Welt.«
    »Und ich werde euch aus Ägypten führen in das Land, wo Milch und Honig fließen.« Zum hundertstenmal machte Pinky Goldstein das mühsame Stottern von Moses nach. »Diese verdammten Zionisten«, fügte er hinzu. »Wenn ich an das Roastbeef denke, das mir mein Schwager aus Goshen immer geschickt hat.«
    Dr. Salomon seufzte, und sein Mund mit den großen gelben Zähnen wässerte hörbar.
    »Jedes Jahr hat er ein Kalb für uns gemästet. Jedes Jahr. Bis es diesem verrückten ägyptischen Hauptmann plötzlich einfiel, das ganze Dorf niederzubrennen und die Einwohner zu vierteilen. Nie wieder hab' ich solche Kalbsschnitzel gegessen. Ja, das waren noch Zeiten.« Eine Weile war es still. Man hörte nur das Jaulen der Wachhunde vor dem Lager.
    »Um es einmal ganz deutlich zu sagen«, ergriff Pinky
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