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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition)
Autoren: Monika Feth
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Reihe der Berufstätigen, die zu ihren Arbeitsstellen unterwegs waren, wurde ihm klar, dass er sich seit damals gegen diese Erkenntnis auflehnte. Es berührte ihn nicht sonderlich, dass Bodo Breitner und Thorsten Uhland nicht mehr da waren, denn er hatte sie nicht gekannt.
    Aber er hatte erlebt, welche Kreise ihr Tod gezogen hatte.
    Und beinah wäre Ilka in den Sog geraten.
    Ilka, die nicht austauschbar, die unersetzlich war.
    In Krankenhäusern begann der Tag früh, doch so richtig lief er erst mit dem Frühstück an. Mike fragte sich, wie er die Wartezeit totschlagen sollte. Er sah auf die Uhr.
    Viertel nach sieben. Kaum der richtige Zeitpunkt für Besucher. Selbst wenn sie es vor Sehnsucht kaum noch aushielten und krank waren vor Liebe. So krank, dass kein Arzt der Welt ihnen helfen konnte.
    Mike suchte nach dem Fenster, hinter dem Ilka untergebracht war. Er hatte sie ein einziges Mal besucht. Das war gleich am Sonntag gewesen, dem Tag nach ihrer Einlieferung, und Ilka hatte fast seinen kompletten Besuch verschlafen.
    Er hatte an ihrem Bett gesessen und ihre Hand gehalten, die so weiß gewesen war und so kühl. Er hatte ihren Schlaf bewacht und ihren Atemgeräuschen gelauscht und sich immer wieder entsetzt gefragt, ob sie wirklich hatte springen wollen.
    Ein kleiner Junge aus dem Haus gegenüber hatte sie auf der Fensterbank sitzen sehen und war zu seiner Mutter gelaufen, die sofort den Notruf gewählt hatte.
    Er hatte Ilka wahrscheinlich das Leben gerettet.
    Wie benommen hatte sie auf der Fensterbank gesessen, ein Bein drinnen, das andere draußen, und sich widerstandslos ins Zimmer ziehen lassen.
    Im Krankenhaus hatte man sie auf den Kopf gestellt. Die behandelnde Ärztin hatte sogar Kontakt zu Lara Engler aufgenommen, die eigens nach Düsseldorf gekommen war, um mit Ilka zu sprechen. Ihrer Einschätzung, dass es vertretbar sei, Ilka ohne weitere Maßnahmen zu entlassen, sofern sie einer ambulanten Weiterbehandlung zustimmte, war es zu verdanken, dass Mike sie heute schon abholen durfte.
    Halb acht. Er stieg aus dem Wagen und erschauerte in der frostigen Morgenluft. Er zog seine Jacke an, aktivierte die Zentralverriegelung, steckte die Hände in die Taschen und näherte sich mit langen Schritten dem Eingang des Krankenhauses.
    Die Empfangsdame hinter der Glasscheibe führte gerade ein hitziges Telefongespräch, bei dem sie jemandem ins Gewissen redete, der ihr nicht zuhören wollte und sie offenbar immer wieder unterbrach.
    Mit ihren Fingernägeln hätte sie locker Nosferatu Konkurrenz machen können. Mike fragte sich, wie sie damit wohl die Tastatur ihres Computers bedienen mochte, dessen Monitor einen feinen Lichtschein auf ihr Gesicht warf.
    Unbemerkt eilte er an ihr vorbei.
    Ilka hatte bereits gepackt und saß neben ihrer Reisetasche auf dem Bett. Das zweite Bett, mit dünner Folie bedeckt, die im Luftzug raschelte, wartete auf den nächsten Patienten.
    » Hallo«, sagte Mike leise und schlüpfte ins Zimmer.
    Ilka glitt vom Bett und streckte die Arme nach ihm aus.
    Kein weiterer Besuch nach dem ersten. Darum hatte die Ärztin gebeten. Ilka brauche absolute Ruhe. Sie hatten sich daran gehalten, doch Mike hatte Ilka heimlich ihr Handy zugesteckt, sodass sie wenigstens telefonieren konnten.
    Vorsichtig zog er sie an sich. Sie war so schwach, dass er Angst hatte, sie zu erdrücken. Ihr Gesicht war wie aus Porzellan.
    » Schön, dass du da bist«, flüsterte sie und ließ den Kopf an seine Schulter sinken.
    Eine Weile standen sie so. Brauchten keine Worte.
    Dann nahm Mike die Reisetasche und sie gingen Hand in Hand über den langen Flur.
    *
    Mike fuhr so vorsichtig, als hätte er Angst, Ilka könne sich beim ersten Schlagloch in Luft auflösen. Das rührte sie mehr noch als die rote Rose, die auf ihrem Schoß lag und deren dunkle, samtene Blütenblätter einen feinen, kaum wahrnehmbaren Duft verströmten.
    Ilka lächelte.
    Sie würde zwei Wochen in Birkenweiler bleiben, um sich weiter zu erholen, und jeden Tag brav zu Lara gehen, wie sie es der Ärztin versprochen hatte. Erst dann wollte sie versuchen, ganz allmählich wieder in Düsseldorf Fuß zu fassen.
    Und Josefine besser kennenlernen.
    » Eine Weile können wir Sie gern parallel behandeln«, hatte Lara vorgeschlagen. » Das macht den Übergang leichter und ist absolut kein Problem. Sie haben Josefine ja bereits kennengelernt.«
    Nein. Es würde wirklich kein Problem sein.
    Ilka hatte sich vorgenommen, sich Zeit zu lassen. Mit allem.
    Auch mit Rubens
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