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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition)
Autoren: Monika Feth
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ihr fest.
    Erfrieren, hatte sie gelesen, war ein schöner Tod.
    Ein schöner Tod?
    Gab es den?
    Eine vereinzelte Schneeflocke, so dünn, dass Ilka sie kaum sehen konnte, setzte sich auf ihren Arm und schmolz im Handumdrehen.
    Bist du einen schönen Tod gestorben, kleine Schneeflocke?
    Es wurde schon dunkel. Der Himmel war wie aus Schiefer. Rauch wehte aus den Schornsteinen.
    Ilka setzte sich auf die Fensterbank.
    Sie musste sich ausruhen.
    Wie müde sie war. Wie furchtbar müde.
    *
    Sie hatten Jettes Wagen genommen. Die Straßen waren verstopft.
    Verfluchte Weihnachtsmärkte!
    Sie quälten sich von Ampel zu Ampel. Die Angst hämmerte in Martens Brust.
    Er gab knappe Anweisungen und Jette befolgte sie.
    Auf dem Rücksitz war Merle in unheilvolles Schweigen versunken.
    Die Reifen der Fahzeuge warfen schmutziges Schneewasser auf. Die Lichtergirlanden über den Straßen spiegelten sich in den Pfützen.
    Wenn Ilka etwas zustieß, würde er sich das nie verzeihen.
    *
    Das hätte Hortense nicht tun dürfen. Das nicht.
    Emilia kämpfte gegen die Tränen an.
    Sie war nicht dumm.
    Erst recht nicht wie Bohnenstroh.
    Sie vergaß manchmal Dinge. Oder Menschen. Und ihre Namen. Und wie man sie buchstabierte. Deshalb durfte Hortense sie aber noch lange nicht einsperren.
    Der Tag ging zu Ende und Emilia stand am Fenster und starrte auf das Licht in Rubens Haus. Der Kommissar war immer noch da.
    Irgendwie tröstete sie das ein wenig.
    Sie war nicht allein.
    » Das hätte sie nicht tun dürfen«, sagte sie, und Ruben hörte ihr geduldig zu. Er hörte ihr immer zu, gleichgültig, wie oft sie sich verhaspelte, weil ihre Zunge über die Worte stolperte. » Das nicht.«
    Ruben stimmte ihr zu.
    Sie hatte ihm nie erzählt, wie sehr sie sich vor Hortense fürchtete. Nie. Doch jetzt merkte er es von ganz allein. Da konnte Hortense ihm tausend Briefe schreiben und sie literweise mit Parfüm besprengen. Sie konnte ihre Lügengeschichten in schönste Reime fassen – Ruben würde ihr nicht glauben.
    Nicht mehr.
    Denn er hatte alles mitangesehen.
    *
    Bert schnappte sich sein Handy und zog die Jacke an. Er hatte Rick versprochen, ihm kurz Bescheid zu geben, wenn er absehen konnte, wann er hier fertig sein würde.
    Draußen zog er die Schultern hoch. Mit der Dämmerung kroch die Kälte wieder über die Dächer und webte ihr eisiges Netz.
    Wie gut die Luft hier war. In Köln vergaß man mit der Zeit, wie sich das anfühlte – Landluft zu atmen. Irgendwo rief eine Katze. Ein Vogel antwortete zeternd.
    Bert ließ den Blick wandern. Wieder war ein Samstag vergangen, den er nicht mit seinen Kindern verbracht hatte. Wie oft hatten sie sich schon anhören müssen, dass Mordfälle sich nicht an Bürozeiten hielten. Wie oft würden sie noch Verständnis dafür aufbringen?
    Es war ruhig.
    Bald würde der Himmel bis zum nächsten Morgen verschwinden. Und vielleicht ein paar Sterne dalassen.
    In einem einzigen Fenster des Wohnhauses brannte Licht.
    Bert ging ein wenig auf und ab.
    Das Fenster öffnete sich quietschend. Bert hob den Kopf und erkannte Emilia.
    » Guten Abend, Herr Kommissar«, sagte sie und sah lächelnd zu ihm hinunter. Sie hob die Hand und winkte ihm zu.
    Huldvoll. Freundlich.
    Wie eine Königin ihren Untertanen, dachte Bert.
    Ihre weißen Handschuhe leuchteten in der Dämmerung.
    *
    Die Fahrzeuge der Feuerwehr und der Polizei versperrten die Straße auf der einen Seite. Rettungsdienst und Notarzt hatten sich auf der anderen quergestellt. Blaulicht zuckte über die Fassaden der Häuser, über die Feuerwehrleute und ihre müden Gesichter.
    Die ersten Schaulustigen hatten sich versammelt. Die Bewohner der umliegenden Häuser lagen in den Fenstern.
    Ich würgte den Motor ab und gab mir keine Mühe, ihn wieder zu starten. Wir ließen den Wagen stehen, wo er war, und stiegen aus.
    Marten rannte los.
    Wir rannten hinter ihm her.
    » Oh Gott«, keuchte Merle im Takt unserer Schritte. » Oh Gott, oh Gott, oh Gott!«
    Lass Ilka nichts passiert sein, betete ich stumm. Bitte, lieber Gott. Lass ihr nichts passiert sein.
    » Das Fenster!« Marten zeigte auf ein offen stehendes Fenster im zweiten Stock eines Hauses und lief schneller.
    » Oh Gott«, japste Merle. » Oh, mein Gott.«
    Ein Polizist versuchte, Marten aufzuhalten. Marten wand sich unter dem Griff des Beamten, riss sich schließlich los und stürmte in das Haus. Merle und ich nutzten den Moment der Verwirrung und hasteten hinter ihm her die Treppe hinauf.
    *
    » Ich möchte Ihre Schwester
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