Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund
Autoren: Raul Zelik
Vom Netzwerk:
stehen Armin und Zubieta zusammen am großen Bauerntisch und kneten Teig. Ihre Arme sind bis zu den Ellenbogen weiß gepudert. Man sieht, wie die Muskeln beim Kneten aus den Unterarmen heraustreten. Die beiden Männer lachen bei der Arbeit, und für einen Augenblick scheint mir, nicht Zubieta wäre meine Begleitung, sondern ich umgekehrt seine.
    Sie sprechen über Frankreich. Armin erzählt, dass er, als Katharina noch klein war, die Ferien oft auf einem Bauernhof im Massif Central verbracht hat, einer Kommune, in der Armin und seine damalige Frau Freunde besuchten, und Zubieta geht sofort darauf ein, er behauptet, in Frankreich studiert zu haben. Vielleicht entspricht das sogar der Wahrheit, vielleicht hat er wirklich auf der anderen Seite, wie die stehende Redewendung bei Zubietas Leuten lautet, ein oder zwei Semester Vorlesungen gehört. Ich ärgere mich, dass er das sagt. Es sind unnötigen Fährten, die er legt.
    Zubieta und Armin formen Laibe und schieben sie ins Feuer. Ich blicke in die Glut. Flammen züngeln empor, blau und gelb, das aufgeheizte Blech scheint an den Rändern zu glühen. Zubieta ist mittlerweile beim Haus der Großeltern angelangt, ich habe das Gefühl, dass er diesen Teil der Geschichte frei erfindet, die Beschreibung der Bauernküche ist allzu pittoresk. Die Namenlosen sind Leute mit multiplen Geschichten. Sie müssen immer eine glaubwürdige Version parat haben und sich davor hüten, sich in Widersprüche zu verwickeln.
    Plötzlich dreht sich Armin um. »Voilà.« Das Brot ist offensichtlich fast fertig. Er geht zum Regal neben der Tür. Zwischen staubbedeckten Tonkrügen liegen Tageszeitungen: eingerollt, gelbstichig. Er zieht eine heraus, schlägt den Dreck ab, trägt sie zum Bauerntisch in der Mitte des Raums.
    Es ist eine El Mundo.
    »Ich wickle die Brote ein, solange sie warm sind«, erklärt er, »die sollen ein paar Tage frisch bleiben.«
    Die Titelseite besteht aus zwei verschiedenfarbigen Hälften. Das Blatt muss zusammengeklappt in der Sonne gelegen haben, im grellen Mittagslicht zum Beispiel, auf der Ablage eines Autos. Mir zieht es den Magen zusammen.
    »Es ist immer viel Arbeit, einen Ofen richtig anzuheizen«, sagt Zubieta, und Armin stimmt zu: »Jeden Tag möchte man es nicht machen.«
    Ich kenne die Ausgabe. Auf der Titelseite ist ein ausgebrannter LKW zu sehen. DER TERROR ESKALIERT steht in großen Lettern unter dem Foto. Die Trennlinie zwischen hellerem und sonnenvergilbtem Papier läuft horizontal durch eine Überschrift hindurch. Ich hätte die Zeitung wegwerfen sollen.
    »Isst du das Brot nicht lieber warm?«, fragt Zubieta.
    »Drei, vier Tage lang ist es sehr gut.« Armin faltet die Zeitungsseiten auf und streicht sie auf dem Tisch glatt. Schnell hat er die halbe Tischplatte ausgelegt.
    »Hast du kein anderes Papier?«, werfe ich ein, ich bin nervös. »Die ist doch ganz schmutzig.«
    »Das bisschen Staub …«
    Ich hoffe, dass Armin die Seiten mit den Inlandsnachrichten auslässt oder zumindest verkehrt herum auslegt, mit einer Anzeige nach oben zum Beispiel. Doch mit schlafwandlerischer Sicherheit trifft er genau das richtige oder vielmehr falsche Blatt, den richtigen, falschen Artikel. Unter seiner von den Gartenarbeiten rau gewordenen Hand, die schabend über das Papier streicht, lese ich »Umstrukturierung der Bande – der neue Kopf«, und halte die Luft an.
    Das Foto erscheint mir nicht mehr so getroffen wie noch vor zwei Monaten, es wirkt jetzt wie die Projektion eines Jugendfotos – als hätte jemand ein altes Bild mit der Absicht bearbeitet, den Fotografierten älter erscheinen zu lassen. Aber auch so lässt sich das Gesicht unschwer er kennen. Armins Hand wischt über Zubietas Bild, über das Kinn, den Mund, die Nase, eine leicht gerunzelte Stirn. Mir ist, als würde er zögern.
    Ich fahre hektisch mit dem Backholz in den Ofen. »Meinst du nicht, wir sollten das Brot vorne jetzt rausziehen? Es ist schon ganz dunkel.«
    »Ein bisschen darf’s noch.«
    »Nicht, dass es anbrennt.«
    »Blödsinn.« Armin schüttelt angesichts meiner Unruhe den Kopf, aber wendet sich immerhin von der Zeitung ab und kehrt zum Ofen zurück. Das Foto scheint er sofort vergessen zu haben, er würdigt Zubieta keines Blicks. »Das Brot ist doch noch ganz hell«, sagt er streng, während ich durchatme und den Freund fragend anblicke. Ich weiß nicht, ob Zubieta gemerkt hat, wessen Bild da auf dem Küchentisch liegt, ob er überhaupt weiß, was vor zwei Monaten über ihn in der Zeitung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher