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Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Titel: Der Besuch der alten Dame (German Edition)
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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dreitausend.
     
    DER ZUGFÜHRER verwirrt Es gibt keine solche Stiftung, Madame.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Dann gründen Sie eine.
    Der Gemeindepräsident flüstert dem Zugführer etwas ins Ohr.
     
    DER ZUGFÜHRER bestürzt Gnädige sind Frau Claire Zachanassian? Oh, pardon. Das ist natürlich etwas anderes. Wir hätten selbstverständlich in Güllen gehalten, wenn wir nur die leiseste Ahnung – Sie erhalten Ihr Geld zurück, gnädige Frau – viertausend – mein Gott.
    ALLE murmelnd Viertausend.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Behalten Sie die Kleinigkeit.
    ALLE murmelnd Behalten.
    DER ZUGFÜHRER Wünschen gnädige Frau, daß der ›Rasende Roland‹ wartet, bis Sie Güllen besichtigt haben? Die Eisenbahndirektion würde dies mit Freuden billigen. Das Münsterportal soll sehenswert sein. Gotisch. Mit dem Jüngsten Gericht.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Brausen Sie mit Ihrem Zug davon.
    GATTE VII weinerlich Aber die Presse, Mausi, die Presse ist noch nicht ausgestiegen. Die Reporter dinieren ahnungslos im Speisewagen vorne.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Laß sie weiterdinieren, Moby. Ich brauche die Presse fürs erste nicht in Güllen. Und später wird sie schon kommen.
    Unterdessen hat der Zweite dem Bürgermeister den Rock gebracht. Der Bürgermeister tritt feierlich auf Claire Zachanassian zu. Der Maler und der Vierte auf der Bank heben die Inschrift ›Willkommen Claire Zachanassi…‹ in die Höhe. Der Maler hat sie nicht ganz beendet.
     
    DER BAHNHOFSVORSTAND hebt die Kelle Abfahrt!
    DER ZUGFÜHRER Wenn gnädige Frau sich nur nicht bei der Eisenbahndirektion beschweren. Es war ein reines Mißverständnis.
    Der Zug beginnt sich in Bewegung zu setzen. Der Zugführer springt auf.
     
    DER BÜRGERMEISTER Verehrte, gnädige Frau. Als Bürgermeister von Güllen habe ich die Ehre, Sie, gnädige, verehrte Frau, als ein Kind unserer Heimat …
    Durch das Geräusch des davonrasenden Zuges wird der Rest der Rede des Bürgermeisters, der unentwegt weiterspricht, nicht mehr verstanden.
     
    CLAIRE ZACHANASSIAN Ich danke, Herr Bürgermeister, für die schöne Rede.
    Sie geht auf Ill zu, der ihr etwas verlegen entgegengetreten ist.
     
    ILL Klara.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Alfred.
    ILL Schön, daß du gekommen bist.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Das habe ich mir immer vorgenommen. Mein Leben lang, seit ich Güllen verlassen habe.
    ILL unsicher Das ist lieb von dir.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Auch du hast an mich gedacht?
    ILL Natürlich. Immer. Das weißt du doch, Klara.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Es war wunderbar, all die Tage, da wir zusammen waren.
    ILL stolz Eben. Zum Lehrer Sehen Sie, Herr Lehrer, die habe ich im Sack.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Nenne mich, wie du mich immer genannt hast.
    ILL Mein Wildkätzchen.
    CLAIRE ZACHANASSIAN schnurrt wie eine alte Katze Wie noch?
    ILL Mein Zauberhexchen.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Ich nannte dich: mein schwarzer Panther.
    ILL Der bin ich noch.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Unsinn. Du bist fett geworden. Und grau und versoffen.
    ILL Doch du bist die gleiche geblieben. Zauberhexchen.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Ach was. Auch ich bin alt geworden und fett. Dazu ist mein linkes Bein hin. Ein Autounfall. Ich fahre nur noch Schnellzüge. Doch die Prothese ist vortrefflich, findest du nicht? Sie hebt ihren Rock in die Höhe und zeigt ihr linkes Bein. Läßt sich gut bewegen.
    ILL wischt sich den Schweiß ab Wäre nie daraufgekommen, Wildkätzchen.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Darf ich dir meinen siebenten Gatten vorstellen, Alfred? Besitzt Tabakplantagen. Führen eine glückliche Ehe.
    ILL Aber bitte.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Komm, Moby, verneig dich. Eigentlich heißt er Pedro, doch macht sich Moby schöner. Es paßt auch besser zu Boby, wie der Kammerdiener heißt. Den hat man schließlich fürs Leben, da müssen sich dann eben die Gatten nach seinem Namen richten.
    Gatte VII verneigt sich.
     
    CLAIRE ZACHANASSIAN Ist er nicht nett mit seinem schwarzen Schnurrbart? Denk nach, Moby.
    Gatte VII denkt nach.
     
    CLAIRE ZACHANASSIAN Fester.
    Gatte VII denkt fester nach.
     
    CLAIRE ZACHANASSIAN Noch fester.
    GATTE VII Aber ich kann nicht mehr fester nachdenken, Mausi, wirklich nicht.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Natürlich kannst du’s. Probier’s nur.
    Gatte VII denkt noch fester nach.
Glockenton.
     
    CLAIRE ZACHANASSIAN Siehst du, es ging. Nicht wahr, Alfred, so wirkt er fast dämonisch. Wie ein Brasilianer. Das ist aber ein Irrtum. Er ist griechisch-orthodox. Sein Vater war Russe. Ein Pope traute uns. Hochinteressant. Nun will ich mich in Güllen umschauen. Sie betrachtet das
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