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Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Titel: Der Besuch der alten Dame (German Edition)
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Hinter dem Ladentisch Frau Ill. Von rechts kommt der Zweite als arrivierter Metzger, einige Blutspritzer auf der neuen Schürze.
     
    DER ZWEITE Das war ein Fest. Ganz Güllen sah auf dem Münsterplatz zu.
    FRAU ILL Klärchen ist das Glück zu gönnen nach all der Misere.
    DER ZWEITE Filmschauspielerinnen als Brautjungfern. Mit solchem Busen.
    FRAU ILL Heute Mode.
    DER ZWEITE Aus der ganzen Welt sind die Journalisten gekommen.
    FRAU ILL Wir sind einfache Leute, Herr Helmesberger. Bei uns suchen sie nichts.
    DER ZWEITE Zigaretten.
    FRAU ILL Die Grünen?
    DER ZWEITE Camel.
    FRAU ILL Aufschreiben?
    DER ZWEITE Aufschreiben. Und ein Beil.
    FRAU ILL Ein Schlachtbeil?
    DER ZWEITE Exakt.
    FRAU ILL Bitte, Herr Helmesberger.
    DER ZWEITE Schöne Ware. Wie geht’s im Geschäft?
    FRAU ILL Macht sich.
    DER ZWEITE Kann auch nicht klagen. Personal angeschafft.
    FRAU ILL Stelle auch ein am Ersten.
    DER ZWEITE Schreiben Sie das Beil auf, Frau Ill. Er nimmt das Beil zu sich.
    Der Erste, nun ein soignierter Geschäftsmann, kommt. Grüßt.
     
    FRAU ILL Grüß Gott, Herr Hofbauer.
    Eine Frau – Erste oder Zweite Frau – geht elegant gekleidet vorüber. Der Erste, noch im Ladeneingang, schaut ihr nach.
     
    DER ERSTE Die macht sich saubere Illusionen, sich so zu kleiden.
    FRAU ILL Schamlos.
    DER ERSTE Glaubt wohl, die Hochkonjunktur stehe vor der Tür. Saridon. Die Nacht gefeiert bei Stockers.
    Frau Ill reicht dem Ersten ein Glas Wasser und das Mittel.
     
    DER ERSTE Alles voll Journalisten.
    DER ZWEITE Schnüffeln im Städtchen herum.
    DER ERSTE Eben interviewen sie den Pfarrer.
    DER ZWEITE Der wird nichts ausplaudern, hat immer ein Herz für uns arme Leute gehabt.
    DER ERSTE Chesterfield.
    FRAU ILL Aufschreiben?
    DER ERSTE Aufschreiben. Wo ist Ihr Mann denn, Frau Ill? Sah ihn lange nicht.
    FRAU ILL Oben.
    Alle horchen nach oben.
     
    DER ZWEITE Schritte.
    FRAU ILL Ich weiß nicht, was der Mann hat. Er geht im Zimmer herum. Seit Tagen. Es ist mir ganz unheimlich mit ihm zumut.
    DER ERSTE Das schlechte Gewissen.
    DER ZWEITE Und nach Australien wollte er auch auswandern.
    DER ERSTE Als ob wir die reinsten Mörder wären. Feuer, Frau Ill.
    FRAU ILL Bitte sehr.
    DER ERSTE raucht Schlimm hat er’s mit der armen Frau Zachanassian getrieben.
    FRAU ILL Ich leide ja auch darunter, Herr Hofbauer.
    DER ERSTE Ein Mädchen ins Unglück stürzen, pfui Teufel.
    Der Lehrer kommt. Er ist betrunken, hat sich aber noch in der Gewalt.
     
    FRAU ILL Grüß Gott, Herr Lehrer.
    DER LEHRER Es entspricht zwar nicht meiner Art, aber ich benötige ein starkes alkoholisches Getränk.
    FRAU ILL Habe neuen Steinhäger.
    DER LEHRER Ein Gläschen.
    FRAU ILL schenkt ein Sie auch, Herr Helmesberger?
    DER ZWEITE Nein, danke. Ich muß noch nach Kaffigen mit meinem neuen Volkswagen. Ferkel kaufen.
    FRAU ILL Und Sie, Herr Hofbauer?
    DER ERSTE Bevor diese verfluchten Journalisten das Städtchen nicht verlassen haben, trinke ich keinen Tropfen.
    FRAU ILL Sie zittern ja, Herr Lehrer.
    DER LEHRER Trinke zuviel in der letzten Zeit. Eben im ›Goldenen Apostel‹ war eine ziemlich scharfe Zecherei, direkt eine alkoholische Orgie. Hoffentlich stört Sie meine Fahne nicht.
    FRAU ILL Noch eins wird nicht schaden. Sie schenkt ihm wieder ein.
    DER LEHRER Ihr Mann ? Er horcht nach oben.
    FRAU ILL Immer hin und her.
    DER LEHRER Noch ein Gläschen. Das letzte. Er schenkt sich selber ein.
    FRAU ILL Aber natürlich.
    DER LEHRER Die Schritte. Immer die Schritte.
    DER ZWEITE Frau Ill, ich hoffe, daß Ihr Mann nicht schwatzt, falls die Journalisten kommen.
    FRAU ILL Aber nein.
    DER ERSTE Bei seinem Charakter?
    FRAU ILL Ich habe es schwer, Herr Hofbauer.
    DER ZWEITE Wenn er Klara bloßstellen würde, Lügen erzählen, sie hätte was auf seinen Tod geboten oder so, was doch nur ein Ausdruck ihres namenlosen Leides gewesen ist, müssen wir einschreiten.
    DER ERSTE Nicht der Milliarde wegen – er spuckt aus – sondern des Volkszornes wegen. Die brave Frau Zachanassian hat, weiß Gott, schon genug durchgemacht.
    DER LEHRER Hofbauer, ich bin dein alter Lehrer. Ich habe still meinen Steinhäger getrunken und zu alledem geschwiegen. Doch nun ist es meine Pflicht, das Menschliche zu tun. Erhebt sich mühsam. Die Augen aller Menschenfreunde und Philosophen der Vorzeit sind auf mich gerichtet. Ich will mich ihrer würdig erweisen. Ich werde zu den Journalisten gehen und ihnen vom Besuch der alten Dame in unserer Stadt erzählen.
    FRAU ILL Herr Lehrer!
    DER ZWEITE Was soll das heißen?
    DER LEHRER
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