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Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)

Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)

Titel: Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
Autoren: Marina Heib
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daß er sich oft dahin zurückzieht, wenn sie Streit haben«,
bemerkte Volker.
    Christian erhob sich: »Ich brauche einen Hubschrauber. Sofort.«
    »Ich will mitkommen«, sagte Anna sofort. »Wenn Carlos da ist … Ich
kann mit ihm reden.«
    Christian sah sie prüfend an: »Sei mir nicht böse, aber du siehst
furchtbar aus. Nach allem, was … Schaffst du das?«
    Anna holte ein Mal tief Luft und nickte entschlossen. Christian
schaute zu Pete. »Es schadet nicht, wenn du einen Psychologen dabeihast«,
meinte Pete. »Und Anna ist in jedem Fall die bessere Wahl.« Er hatte ganz
offensichtlich während seines kleinen Aufenthalts im Gefängnis die Wegstrecke
von Arroganz zu Demut zurückgelegt.
    Karl und Wilhelm saßen am Kamin in schweren Clubsesseln
und tranken alten Bordeaux, ganz so, als wäre ihr Familienzusammentreffen eine
leise, innige Freude. Die Vorhänge waren zugezogen, das gedämpfte Licht einer
Kerze und das Knistern des Kaminfeuers schufen eine behagliche Atmosphäre.
    »Wieso bist du wieder in Deutschland aufgetaucht? Nach so vielen
Jahren.«
    Carlos schwenkte sein Glas und betrachtete die rubinrote Farbe des
Weins und die trägen Schlieren an der Wand des Glases.
    »Es ist was passiert in Spanien. Etwas, das nie hätte passieren
dürfen.«
    Carlos trank schweigend. Sein Bruder merkte, wie schwer es ihm fiel,
darüber zu sprechen. Er drängte ihn nicht, gab ihm die Zeit, die er brauchte,
um aufzuräumen. Denn deswegen waren sie hier. Beide. Sie wollten aufräumen.
    »Ich habe als Gärtner in einem Kloster gearbeitet. Bei Nonnen. Ich
wollte keine Männer mehr sehen. Aber dann … Da war ein Junge … er war knapp
vierzehn … Er wurde mir als Hilfe zugewiesen. Ich wollte das nicht. Wollte
keine Hilfe. Keinen Jungen in meiner Nähe. Wollte … Ich wollte nicht, aber …«
    Er blickte von seinem Glas auf und sah seinem Bruder verzweifelt in
die Augen: »Hast du dir jemals vorstellen können, daß du so wirst wie unser
Alter?«
    Wilhelm schwieg.
    Carlos hatte den Blick gesenkt: »Ich konnte nichts dagegen tun … Ich
habe mich selbst gehaßt … aber er war so schön … und so rein. Er hieß Jesús,
kannst du dir das vorstellen? Ich habe ihn beschmutzt. Und dann hat er sich
umgebracht.« Carlos machte eine kleine Pause, bevor er weitersprach.
»Selbstmörder kommen in die Hölle. Und ich bin schuldig, ich habe mich an ihm
versündigt.«
    »Hör mir bloß auf mit diesem religiösen Mist. Hast du das von
unserer Mutter? Die soll ja in ihren letzten Jahren mehr Zeit in der Kirche
verbracht haben als in der Küche! Bigotte Schlampe!«
    »Sag nichts gegen sie!« fuhr Carlos auf. »Sie hat mit mir gebetet.
Für meine Seele.«
    »Ach, du Scheiße! Der Alte hat uns gefickt, sie hat gefilmt!«
    »Nicht mehr, nachdem du weg warst. Sie ist nie wieder mit in den
Keller gegangen.«
    »Die arme Frau«, höhnte sein Bruder, »hat sie das schlechte Gewissen
gepackt, nachdem sie ihren Sohn für ein paar Silberlinge nach Eindhoven
verscherbelte? Fünftausend Mark haben unsere Alten für mich gekriegt,
fünftausend! Jedesmal, wenn ich mich in Holland dann gegen einen Kunden gewehrt
habe, wenn ich ihn angespuckt und getreten habe, wurde ich mit einem
Ledergürtel verprügelt, bis mir die Schwarte krachte: Die fünftausend bist du nicht
wert, du Scheißling, haben sie gesagt! Paul und Lilli hießen sie übrigens,
meine Pflegeeltern. Klingt irgendwie nett, oder? Und gepflegt haben die mich,
das ahnst du nicht.«
    »Glaubst du, mein Leben war besser?«
    »Gut genug, um das Abi zu machen. Ich bin von jeder Schule geflogen.
Holländisch habe ich schnell gelernt, kein Problem, ich bin ja nicht blöd.
Nein, ich war den liberalen Holländern zu gewalttätig.« Er lachte spöttisch
auf. »Einmal habe ich bei einer Klassenfahrt so ’ner blöden Ziege die Hand ins
Lagerfeuer gehalten, bis sie roch wie ein Steak. Damals war ich neun.«
    »Warum hast du das getan?« fragte Carlos angewidert.
    »Warum nicht? Ich wollte wissen, wie laut sie schreien kann. Und was
ich dabei fühle.« Er machte eine Pause. »Sie schrie laut. Und ich fühlte
nichts.«
    Die Rotorblätter des Hubschraubers durchschnitten die
kalte Nordseeluft.
    »Wie lange dauert das denn noch?« fragte Christian ungeduldig den
Piloten.
    »’ne Viertelstunde ungefähr.«
    Christians Handy klingelte. Es war Pete, der sehr aufgeregt schien:
»Daniel und ich haben gerade die DVD aus Deterings Langenhorner Tresor
gesichtet. Großes Kino, sag ich dir! Da mußt du echt kotzen!
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