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Der Befehl aus dem Dunkel

Der Befehl aus dem Dunkel

Titel: Der Befehl aus dem Dunkel
Autoren: Hans Dominik
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nickte nachdenklich vor sich hin. Er steckte die Zeitung in seine Brusttasche und dachte dabei: Jetzt, wo ich den Bericht meines Freundes Lönholdt von solch authentischer Seite bestätigt finde, werde ich mich etwas ernsthafter mit dem beschäftigen, was ich von Allgermissen weiß.
    »An Zeit mangelt es mir ja nicht«, sagte er mit einem bitteren Zug um die Lippen leise vor sich hin, »seitdem ich die Leitung der Firma Astenryk und Kompanie dem Konkursverwalter überlassen mußte…« Und dann überlegte er weiter: Dieser Allgermissen … Genie oder Wahnsinn? … Daß er schwer geisteskrank gewesen, stand wohl außer Zweifel … Wie oft hatte er, Astenryk, deshalb das Problem Allgermissen beiseitegeschoben, hatte sich gesagt: Es sind doch nur die Ideen eines Verrückten …
    Und doch! Jetzt, wo er Lönholdts Bericht durch den russischen Arzt in jeder Beziehung bestätigt fand, mußten solche Zweifel schwinden. Jetzt durfte ihm selbst das Benehmen Allgermissens in der Nacht vor seiner Verhaftung nicht mehr als das eines völlig Wahnsinnigen erscheinen.
    Was stand darüber in Lönholdts Tagebuch? Professor Allgermissen hatte in jener Nacht in wildem Triumphgeheul geschrien: »Ich bin der Herr der Welt! Die ganze Menschheit ist mir untertan!« Jetzt mußte tatsächlich das Ungeheuerlichste möglich werden können. Jetzt mußte man den Worten Allgermissens einen realen Sinn zugestehen, auch wenn man, weiter denkend, auf unheimlich fantastische Folgen und Ziele stieß …
    Georgs Gedanken wanderten. Seine innerliche Erregung steigerte sich mehr und mehr. »Mein Gott!« rief er schließlich laut aus, »man könnte ja auch wahnsinnig werden, wenn man das alles bis zum letzten Ende durchdenkt. Ja, wahnsinnig könnte man werden, wie es auch Allgermissen wurde … wurde, nicht war.«
    Er schrak zusammen. Ein Schaffner trat ein und kontrollierte die Fahrkarten. Ein Blick aus dem Fenster zeigte Georg Astenryk schon die städtischen Häuser. In wenigen Minuten würde er seine Verlobte Anne Escheloh in die Arme schließen.
    Der Zug lief in den Nordbahnhof ein. »Paris!« An der Sperre erblickte er Anne. Sie hatte ihn noch nicht gesehen. Er winkte ihr zu, sie erkannte ihn, winkte wieder, und dann stand er vor ihr. Er erschrak.
    »Anne! Liebe Anne!« Er drückte sie fest an sich. »Anne!« Freude und Erschrecken lag in seiner Stimme. Wie hatte sich ihr Gesicht verändert, daß selbst die Freude des Wiedersehens nicht die tiefen Schatten verwischen konnte, die auf ihren Zügen lagen!
    »Georg! Mein lieber, guter Georg! Wie freue ich mich, dich wiederzuhaben.«
    »Und ich auch, mein Liebling. Wenn wir uns auch unter traurigen Umständen …«
    »Nicht jetzt! Laß uns die Freude des Wiedersehens genießen … Wir wollen gleich zu uns fahren. Du wohnst auch, wie mein Schwager Forbin und Helene, in der Pension Pellonard in der Rue Frémont. Ein Zimmer ist für dich reserviert.«
    Sie gingen zu dem Taxistand und fuhren zur Rue Frémont. Alfred und Helene Forbin waren nicht zu Hause. Georg war darüber nicht böse. Allein mit Anne, schloß er sie in zärtlichem Mitleid in die Arme.
    »Anne! Du bist so verändert. Drückt dich etwas? Nach deinem Brief schienst du mir ganz zufrieden mit deinem Aufenthalt hier. Fühlst du dich nicht wohl bei deinem Schwager, oder ist es etwas anderes?«
    Anne Escheloh wandte sich zur Seite.
    »Ach, sprechen wir doch nicht davon, Georg! Warum soll ich nicht zufrieden sein, da es mir ja an nichts fehlt? Ich muß nur immer an dich denken. Was hast du nicht alles in letzter Zeit durchmachen müssen! Der Tod deines Vaters, die Hypothekengeschichte und nun gar der Konkurs eures alten Werkes. Was wirst du anfangen, wenn sie dir alles genommen haben?«
    »Anne! Ist es wirklich nur das? Hast du nicht auch anderen Kummer? Um mich brauchst du dich keinesfalls zu sorgen. Ich werde schon durchkommen. Aber daß du dich hier auch nur einigermaßen wohl fühlst … Ich kann’s nicht glauben, Anne!
    Als damals dein Vater starb und du dich diesem zweifelhaften Forbin – verzeih, daß ich von dem Manne deiner Schwester so spreche – anschlossest, da dachte ich mir: Lange soll das nicht dauern, dann hole ich dich wieder. Die Halunken, die mich zum Konkurs brachten, haben auch durch diesen Plan einen Strich gemacht … vorläufig … denn Anne, wenn du zu mir hältst, werde ich nie von dir lassen. Und einmal wird ja doch der Tag kommen, wo …«
    »Georg, schweig doch! Was sprichst du da! Ich sollte nicht immer zu dir halten?
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