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Der Bastard und die Lady

Der Bastard und die Lady

Titel: Der Bastard und die Lady
Autoren: Kasey Michaels
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draußen befördert und die Marmorstufen hinunter aufs Pflaster gestoßen worden war. Er hörte und spürte, wie beim Aufprall auf eine Stufenkante ein Knochen in seinem linken Unterarm brach und in einem schmerzhaften Schwall alle Luft aus seiner Lunge wich.
    Dann traf der erste Peitschenhieb seinen Rücken, und er konnte nichts anderes tun, als sich zusammenzurollen, jeden Schlag hinzunehmen und zu versuchen, Gesicht, Augen und den verletzten Arm zu schützen.
    „Sie wollen meine Schwester beleidigen? Schindluder mit ihrer Unschuld treiben?“ Immer wieder ließ der Viscount die Peitsche niedersausen. Der geflochtene Lederriemen mit der harten Metallspitze zerriss Beaus neuen Frack und seine Haut, dass sein Rücken brannte. „Den großen Mann spielen, sich über Ihren Stand erheben? Das kommt davon, wenn Ihresgleichen verhätschelt wird, verdammt noch mal. Die Gesellschaft geht in die Brüche! Dass einer wie Sie atmet, ist ein Gräuel für alles, was Anstand hat. Ich sollte Sie fesseln und in die Themse werfen lassen wie den Straßenköter, der Sie sind!“
    Endlich hörten die Peitschenhiebe auf. Darauf folgten noch ein paar gut gezielte Fußtritte von den Dienern, dann hörte Beau im Innern des Hauses eine Tür schlagen. Zaghaft kam er auf die Füße. Sein Körper bestand nur noch aus Schmerzen, sein Herz und seine Seele waren ebenso zerrissen wie sein schöner Frack. Einer der Diener spuckte ihn an, bevor beide ihn anschnauzten, er solle sich trollen, und sich endlich ins Haus zurückzogen.
    Beau hockte da wie ein geprügelter Hund, hielt seinen gebrochenen Arm und drehte sich zum Herrenhaus um, nur um zu sehen, wie die Tür sich einen Spalt öffnete und Lady Chelsea mit Tränen in den Augen zu ihm hinunterblickte.
    „Es tut mir so schrecklich leid, Mr Blackthorn“, sagte sie schluchzend, und die Tränen liefen ihr über die Wangen. „Madelyn ist eingebildet und herzlos, und Thomas ist nichts weiter als ein Dummkopf. Beide können wohl einfach nicht aus ihrer Haut. Ich halte Sie nicht für eine Witzfigur. Ich … ich finde Sie durch und durch ebenbürtig, wenn auch vielleicht ein bisschen albern. Aber Sie sollten jetzt womöglich gehen. Weit, weit fort.“
    Und dann schloss sie die Tür, und Beau blieb zurück und musste seinen eigenen Pferdeknecht zum Wegsehen zwingen, der mit dem neuen Zweispänner, gekauft, um Lady Madelyn zu beeindrucken, auf ihn gewartet hatte. Er hatte mit ihr ausfahren wollen, nachdem er mit ihrem Vater gesprochen hatte. Vielleicht hätte er ihr auf dem Weg zum Richmond Park noch einen Kuss geraubt – und mehr.
    „Nein, vielen Dank, und ebenfalls danke, dass du treulose Tomate mir selbstlos zur Hilfe geeilt bist“, sagte Beau steif und biss gegen die drohende Übelkeit die Zähne zusammen, als der Pferdeknecht ihn stützen wollte. „Bring die verdammte Kutsche zurück in meine Ställe. Ich gehe zu Fuß zurück zum Grosvenor Square.“
    Und genau das tat Beau dann auch. Zu Fuß folgte er den langen Straßenzügen bis zum Haus seines Vaters. Taumelte gelegentlich, fing sich aber immer wieder, trug das Kinn hoch, hielt sich gerade, blickte jedem Passanten in die Augen. Sollten sie doch sehen, sollten sie alle sehen, was sie ihm antaten, während sie sich als Gentlemen und Ladies bezeichneten und sich für besser, zivilisierter hielten als ihn. Sollten sie jetzt lachen, wenn sie konnten. Und sollten sie das alles nicht vergessen, damit sie sich beim nächsten Mal, wenn sie Oliver Le Beau Blackthorn sahen oder seinen Weg kreuzten, tunlichst in Acht nahmen.
    Mit jedem Schritt und während Passanten, die ihm begegneten, rasch die Straßenseite wechselten, um seinem abgerissenen, blutverschmierten Anblick zu entgehen, während keiner von ihnen, sei es Bekannter oder mutmaßlicher Freund, einen Finger krümmte, um ihm zu helfen, ließ besagter Oliver Le Beau Blackthorn ein Stück seiner Jugend hinter sich, bis ihm nur noch ein Gedanke, eine Wahrheit blieb.
    Sein Geld, sein Aussehen, sein Charme, die Freundschaften, die er in der Schule und hier in London geschlossen zu haben glaubte, die Akzeptanz, die er meinte gefunden zu haben – unterm Strich bedeutete das alles gar nichts.
    Er war ein Narr gewesen, das wusste er jetzt. Jung und hochmütig und dumm. Die Lachnummer, als die Lady Madelyn ihn bezeichnet hatte.
    Im Alter von zweiundzwanzig Jahren sah der älteste Sohn des Marquess of Blackthorn sich selbst endlich so, wie die Welt ihn sah. Nicht als Mann, nicht als Freund, nicht als
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