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Der Ball spielende Hund

Der Ball spielende Hund

Titel: Der Ball spielende Hund
Autoren: Agatha Christie
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liebe Minnie, was immer man gegen mich sagen kann, auf den Kopf gefallen bin ich nicht! Möchte wissen, wer als Erster darauf zu sprechen kommt!»
    Sie sollte nicht lange im Zweifel bleiben. Kurz nach neun Uhr vormittags kehrte sie mit ihrer Gesellschafterin vom Gottesdienst zurück. Das Ehepaar Tanios befand sich im Esszimmer, aber die beiden jungen Arundells waren nirgends zu sehen. Nach dem Frühstück, als die anderen gegangen waren, blieb Miss Arundell sitzen und trug verschiedene Ausgaben in ein kleines Buch ein.
    Gegen zehn Uhr trat Charles ins Esszimmer. «Verzeih, dass ich so spät komme, Tante Emily! Aber Theresa ist noch schlimmer. Sie hat noch kein Auge geöffnet.»
    «Um halb elf wird das Frühstück abgetragen. Ich weiß, heutzutage ist es Mode, auf die Dienstboten keine Rücksicht zu nehmen, aber in meinem Haus geschieht das nicht.»
    «Recht so! Immer treu dem Brauch der Väter!» Charles nahm Toast mit Butter und setzte sich neben seine Tante. Sein Grinsen war unwiderstehlich wie immer. Bald ertappte sich Miss Arundell dabei, wie sie nachsichtig über ihn lächelte. Durch dieses günstige Zeichen ermutigt, wagte Charles den Sprung ins kalte Wasser.
    «Tante, sei mir nicht böse, aber ich bin in einer schrecklichen Klemme. Kannst du mir aushelfen? Hundert würden genügen.»
    Sie machte ein abweisendes Gesicht. Emily Arundell hatte nie gezögert, ihre Meinung offen zu sagen. Sie zögerte auch jetzt nicht.
    Miss Lawson hastete durch die Halle und stieß fast mit Charles zusammen, der das Esszimmer verließ. Sie warf ihm einen neugierigen Blick zu und trat ein. Miss Arundell saß kerzengerade im Lehnstuhl, ihr Gesicht war gerötet.

2
     
    Charles lief die Treppe hinauf und klopfte an die Tür seiner Schwester.
    «Herein!» Theresa setzte sich im Bett auf und gähnte. Charles ließ sich auf den Bettrand nieder.
    «Wie dekorativ du aussiehst, Theresa!», begann er beifällig.
    Scharf fragte sie: «Was ist los?»
    Er grinste: «Da bist du wohl gespannt? Ja, ich bin dir zuvorgekommen, Kindchen. Hielt es für angezeigt, sie anzupumpen, bevor du’s tust.»
    «Nun?»
    Charles machte eine verneinende Geste. «Nichts zu wollen! Tante Emily hielt mir eine tüchtige Standpauke. Sagte, sie sei sich im Klaren, warum ihre lieben Verwandten zu Besuch gekommen seien. Und sie deutete auch an, dass sich ihre lieben Verwandten täuschen werden. Von ihr hätten sie nichts zu erwarten als Zuneigung – und auch die nur mit Maß.»
    «Du hättest wohl ein wenig warten können», meinte Theresa trocken.
    Charles grinste wieder. «Ich hatte Angst, dass du oder Tanios mir zuvorkäme. Leider, leider, süße Theresa, ist es diesmal Essig. Die alte Tante ist nicht dumm.»
    «Ich habe sie auch nie dafür gehalten.»
    «Ich versuchte sogar, ihr Angst zu machen.»
    «Was heißt das?», fragte seine Schwester scharf.
    «Ich sagte ihr, sie laufe Gefahr, abgemurkst zu werden. Schließlich kann sie doch ihr Geld nicht mit ins Grab nehmen. Warum rückt sie nicht mit ein paar Kröten heraus?»
    «Charles, du bist ein Trottel!»
    «Nein, bin ich nicht. Ich bin auf meine Art ein Menschenkenner. Es nützt nie etwas, der Alten nach dem Mund zu reden; sie sieht es viel lieber, wenn man ihr mit Überzeugung widerspricht. Überdies habe ich ihr nur vernünftig zugeredet. Wir kriegen das Geld ohnehin, wenn sie stirbt – sie kann sich also ruhig schon früher von einem kleinen Teil trennen. Sonst könnte die Versuchung, ihr hinüberzuhelfen, zu groß werden.»
    «Und sie verstand, worauf du hinauswolltest?», fragte Theresa mit verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln.
    «Weiß ich nicht bestimmt. Zugegeben hat sie’s nicht. Sie dankte mir sehr bissig für meinen Rat und sagte, sie sei selber imstande auf sich achtzugeben. ‹Na, ich habe dich gewarnt›, sagte ich, und sie antwortete: ‹Ich werde es nicht vergessen.›»
    «Charles», versetzte Theresa zornig, «du bist ein Idiot.»
    «Himmelherrgott, Theresa, mir war selber nicht sehr wohl zu Mute! Tante Emily schwimmt doch geradezu in Geld – schwimmt! Sie gibt bestimmt nicht einmal den zehnten Teil ihrer Einkünfte aus – wofür denn auch? Und wir – wir sind jung, könnten das Leben genießen – und sie bringt es am Ende fertig, uns zum Trotz hundert Jahre alt zu werden. Ich möchte jetzt – jetzt etwas vom Leben haben. Du doch auch?»
    Theresa nickte und sagte leise: «Alte Leute verstehen das nicht… können es nicht verstehen… was Leben heißt!»
    Eine Weile herrschte Schweigen
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