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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser
Autoren: Marcus Sakey
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die sich durch eine gallertartige Masse bewegte. Schließlich die Pistole, die sich in aller Ruhe hob, während Johnny einen Schritt zur Seite machte, um dem Hocker auszuweichen.
    Dann ein Knall, ohrenbetäubend laut und auf eine fürchterliche Art und Weise vertraut. Er traf ihn im tiefsten Inneren, dort, wo sich alles verbarg, was er eigentlich war. Der Kern seines Selbst, um den herum alles andere bloße Fassade war.
    Ein Schuss, genau wie damals in der Gasse, als er über den Lauf auf den Mann am Boden gestarrt hatte. Als er abgedrückt hatte.
    Der zweite, der dritte Schuss wirkten fast schon unnötig, unangemessen grausam. Doch Alex steckte sie weg, wie ein Boxer Schläge einsteckt, er ließ sich nicht aufhalten, auch wenn sein Körper zuckte, als er getroffen wurde. Plötzlich stand er direkt vor Johnny – und fiel ihm um den Hals, drückte ihn an sich wie einen Bruder. Mitch wollte laut aufschreien, den Namen seines Freundes schreien.
    Der vierte Schuss klang gedämpft. Aus Alex’ Rücken löste sich ein Stück Fleisch, das hinter ihm auf die Bar klatschte.
    Und der Augenblick zerbrach wie ein Spiegel.
    Noch immer hatte Mitch die letzte Flasche in der Hand, spürte das Plastik in den Fingern. Sie wog schwer in seiner Hand und war doch so leicht in Anbetracht ihres tödlichen Potenzials. Instinktiv drehte er sich um – Victors lächelnde Maske bröckelte. Sie standen sich gegenüber, Auge in Auge, Victor ein dunkler Schatten vor glitzernden Flaschen, Whisky, Tequila, Wodka und Gin, aufgereiht wie Soldaten. Vielleicht sollte er versuchen, mit einem Sprung über die Theke zu setzen, aber nein, Victors Hand wanderte schon zum Rücken, bestimmt um eine Waffe hervorzuziehen. Also sollte er sich lieber gleich auf den Boden werfen und sich unter der Bar verstecken wie ein kleines Kind unter dem Bett? Oder sollte er Alex helfen, ja, was war eigentlich mit Alex? Mitch fuhr herum. Er und Johnny hatten sich zu einer zuckenden Masse aus Armen und Beinen verkeilt, die quer durch den Raum zur Theke taumelte. Obwohl Alex mehr als eine Kugel abbekommen hatte, schaffte er es irgendwie, Johnny weiter zu umklammern und nach hinten zu zerren.
    Sekunden später krachten sie neben Mitch in die Bar, ohne voneinander abzulassen, in ihre Umarmung versunken wie ein verliebtes Pärchen. Johnny fluchte, kreischte, ächzte vor Anstrengung und Schmerz. Speichel spritzte von seinen Lippen, immer mehr Blut schoss ihm in den Kopf, während er versuchte, Alex’ Arme abzuschütteln. Alex keuchte, als er auf die Theke prallte, aber er ging nicht zu Boden. Mitch traute seinen Augen kaum. All die Wut und der Schock setzten ungeahnte Reserven in seinem Freund frei, er war blass wie Milch, und trotzdem fand er noch die Kraft, Johnny festzuhalten. Nur, fragte Mitch sich insgeheim, was steckte hinter seiner Aktion? War es eine Geste oder eine instinktive Reaktion? Oder verfolgte er tatsächlich einen Plan?
    Victor hatte die Hand am Rücken.
    Jetzt gewann Johnny die Oberhand. Alex sackte nach hinten. Sein Kopf hing schlaff zur Seite, seine Augen rollten wild hin und her – bis sie Mitch fanden. Er starrte ihn an, bevor sich sein Blick langsam senkte. Seine Lippen bewegten sich lautlos. Erst nach zwei, drei, vier Sekunden brachte er etwas heraus. Ein gedehntes, flehendes Röcheln, und die kaum verständlichen Worte:
    »Tu es.«
    Alex starrte ihn an, doch sein Blick war leer. Das letzte bisschen Willen floss aus seinem Körper wie Öl aus einem löchrigen Fass. Johnny befreite sich aus seiner Umklammerung.
    Was soll ich tun? Was?
    Er folgte Alex’ Blick – zu der Flasche in seiner Hand.
    Echos in seinem Kopf:
    Ian:   Angenommen, du bist ein größenwahnsinniges Arschloch, das sich ein bisschen Sarin zusammenbrauen will. Dann benötigst du dafür zwei Bestandteile …
    Alex:   Jetzt weiß ich, warum du vorhin halb ausgerastet bist. Wegen der Wodkaflasche.
    Jenn:   Wie’s aussieht, ist der Donnerstagabend-Kneipen-Club doch noch nicht am Ende.
    Victor riss den Arm hoch, ein schemenhaftes, schwarzes Etwas in seiner Hand.
    Und plötzlich fügte sich alles zusammen, jeder Schritt des wirren Tanzes, der sie hierher geführt hatte, jede falsche Entscheidung. Ein Muster bildete sich heraus, mit dem er niemals gerechnet hätte, als wären sie den Kommandos eines unsichtbaren Dirigenten gefolgt, jeder von ihnen ein Instrument im Wechsel von Melodie und Gegenstimme, ein Crescendo, das jetzt seinen Höhepunkt erreichte.
    Als Mitch sich umdrehte, die Flasche
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