Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser
Autoren: Marcus Sakey
Vom Netzwerk:
den Handrücken und schniefte zweimal, als hätte er Schnupfen. Die Augen des Fahrers huschten zum Rückspiegel. Ian starrte zurück, bis er wieder auf die Straße sah.
    »War das eben …«, sagte Mitch.
    »Ja.« Ian lächelte ihn von der Seite an und zuckte die Schultern. »Und?«
    »Machst du das öfter?«
    »Hin und wieder. Willst du auch mal?«
    Mitch schüttelte den Kopf.
    »Sicher? Würde dir bestimmt guttun.«
    »Nein, danke.« Mitch lehnte den Kopf gegen die Scheibe und schloss die Augen. »Das würde es nicht.«
    »Oder wie wär’s, wenn wir ein bisschen zocken gehen?«
    »Jetzt noch nach Indiana? Du spinnst wohl.«
    »Nein, nein, nur zu den Riverboats. Ein privates Spiel. In zwanzig Minuten wären wir da.«
    Wieder schüttelte Mitch den Kopf. »Ich geh lieber schlafen.«
    »Komm schon, Mann. Sei kein Spielverderber.«
    Es wurde still.
    »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«, sagte Ian.
    »Aber man verliert auch nichts«, erwiderte Mitch.
    Jenn drehte den Wasserhahn auf und ließ das Wasser laufen. Bei Alex dauerte es immer ewig, bis es warm wurde. Sie richtete sich auf, betrachtete sich im Spiegel und strich sich das Haar hinter die Ohren. Eigentlich wollte sie sich seit Langem einen richtigen Kurzhaarschnitt zulegen, aber dazu hatte ihr bislang der Mut gefehlt. Dabei wäre das sicher sehr sexy.
    Als das Wasser endlich warm geworden war, hielt sie die Hände unter den Hahn und befeuchtete sich das Gesicht. Sie musste sich mit gewöhnlicher Seife begnügen, denn Alex besaß keine Gesichtslotion, und zu den Regeln ihres Was-auch-immer-das-sein-sollte gehörte es, keine Gegenstände in der Wohnung des anderen zu deponieren. Angeblich, weil seine Tochter nicht mitbekommen sollte, dass er Damenbesuch hatte, und deshalb unangenehme Fragen stellte, aber sie glaubte eher, dass Alex erst gar keine Zweifel am Status ihrer Beziehung aufkommen lassen wollte. Sie hatten keine Beziehung.
    Als sie aus dem Bad kam, stand er nackt in der Küche und kramte im Kühlschrank. Ein toller Anblick: eisenharte, im Fitnessstudio gestählte Muskeln, die weder protzig noch übertrieben wirkten, dazu schwarze Tribal-Tattoos um den Bizeps, hübsche Beine und genau die richtige Menge Brusthaar. »Bier?«, fragte er.
    »Gerne.«
    Er holte zwei Flaschen Sierra Nevada aus dem Kühlschrank, machte sie auf und reichte ihr eine.
    Während er die Schublade mit seinem Zigaretten-Notvorrat öffnete und sich eine anzündete, lehnte sie sich an die Küchentheke. Auf ihren nackten Armen bildete sich eine Gänsehaut, als sie die kalte Resopalplatte berührte.
    »War irgendwie komisch heute«, meinte er.
    Jenn nickte. »Ja. Was für eine Type.«
    »Johnny ist ein Arschloch.«
    »Ich weiß. Das war nicht zu übersehen.«
    »Was ist da eigentlich genau gelaufen?«
    Sie fuhr mit dem Fingernagel unter die Ecke des Etiketts. »Ich glaube, er wollte mich zu einem Date einladen.«
    »Wer? Johnny?«
    »Nein, Mitch.«
    Alex nahm einen großen Schluck Bier. »Also, wenn es jemals dazu kommen sollte, will ich euch nicht im Wege …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er schaut mich manchmal so an, aber auch nicht richtig. Ist wohl nichts Ernsthaftes.« Das übliche Hochgefühl nach dem Sex war verblasst, an seine Stelle trat eine altbekannte Traurigkeit. »Also ist dein Boss ein richtiger Gangster?«
    »Nee, nicht wirklich. Er hat halt noch seine Kontakte. Im Grunde ist er bloß ein Angeber – früher war er mal ein harter Kerl, aber das ist lange her. Außer man provoziert ihn. Eigentlich hab ich das nur gesagt, damit Mitch nicht völlig austickt.« Alex zuckte die Achseln. »Ich kann Mitch ja wirklich gut leiden, aber er ist kein Evander Holyfield. Ich glaube, sein Spezialschlag sähe eher so aus: linkes Kinn zur rechten Faust. Des Gegners. Autsch.«
    Typisch Mann, dieses ewige Alphatier-Gehabe. Das hohle Gefühl, das sich in Jenns Brust festgesetzt hatte, breitete sich aus. Dazu dieser Anflug von Panik, den sie in letzter Zeit immer öfter spürte, als wäre sie zur falschen Zeit am falschen Ort … »Hast du manchmal das Gefühl …« Sie zögerte. »Das Gefühl, du hast was verpasst?«
    »Ja.« Er zog ein letztes Mal an der Zigarette und warf sie halb aufgeraucht in die Spüle. »Meine Tochter aufwachsen zu sehen.«
    »Ich weiß, und das tut mir wirklich leid. Aber das hab ich nicht gemeint. Es ist eher so ein … abstraktes Gefühl.« Sie trank einen Schluck Bier. »Wenn ich früher samstags ausgegangen bin, hab ich mich immer … leicht gefühlt, offen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher