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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Autoren: Gabriele Goettle
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parasitiert, übertragen wird, verkrüppelte Flügel bei den schlüpfenden Bienen. Aber nicht in jedem Fall! Wenn ich 100 mit Varroa infizierte Puppen habe, dann mögen zehn mit verkrüppelten Flügeln schlüpfen – im Herbst vielleicht mehr –, der Rest schlüpft ganz normal.
    Aber wir haben wenigstens lebende Bienen, die Symptome haben, die wir einem bestimmten Virus zuordnen. Diese Bienen jedoch sind nicht wirklich lebensfähig, weil sie ja ihre Arbeit nicht richtig ausführen können, und weil sie im Stock nicht geduldet werden. Ob sie sofort beseitigt werden, scheint davon abzuhängen, wie schwer die Symptome sind. Spätestens aber wenn sie rausfliegen sollen und nicht können, weil die Flügel fehlen oder verkrüppelt sind, werden sie rausgeschmissen. Da kommen ein bis zwei Bienen, schnappen sich die, es gibt so ein Knäuel, und draußen lassen sie die Kranke einfach fallen. Die krabbelt dann vor dem Stock rum, bis sie verhungert oder an der Virusinfektion eingeht. Das sind alles Sachen, die sind noch nicht geklärt. Verhungern die? Gehen sie am Virus ein? Wie breitet sich der Virus im Körper aus? Wie kommt es zu den Verkrüppelungen? Das sind jetzt die Fragen der erklärenden Virologen … Was läuft in der Puppe ab, damit dieses Virus als Symptom verkrüppelte Flügel verursachen kann? Diese und andere Fragen stellen wir uns. Gut, das ist also die Virensache, mit der wir uns grade beschäftigen, und dadurch, daß sie wirklich neu ist, können wir auch sehr gut international veröffentlichen. Auch in der Virusszene sind wir inzwischen international anerkannt.
    Es gibt natürlich noch viele andere Viren, aber an denen arbeiten Kollegen im In- und Ausland, da sind die Gebiete ein bißchen abgesteckt. Mit Pilzen z. B. befassen wir uns ganz bewußt nicht. Weil wir einfach auch die Labormöglichkeiten nicht haben, um alle Erreger sicher nebeneinander behandeln zu können. Ich hab’ kein Pilzlabor, ich möchte auf keinen Fall meine Bakterienkulturen verpilzt bekommen. Und – ich habe keine Ahnung von Pilzen. Das ist ein extrem schwieriges Gebiet. Wir haben jetzt allerdings mit einem Darmparasiten zu tun, mit Nosema, das ist – und jetzt widerspreche ich mir – fast ein Pilz!« Sie lacht. »Ein Mikrosporidium, und die Klassifizierung, was es jetzt genau ist, ist noch nicht ganz abgeschlossen. Das machen aber nicht wir. Es gab eine Form von Nosema, mit der sich die europäische Biene (Apis mellifera) arrangiert hatte: Nosema apis. Die Sporen sind in vielen Völkern, die Nosemose muß aber nicht ausbrechen. Bricht sie aber aus, dann können die Bienen auch eingehen. 1996 wurde in Asien ein Verwandter von Nosema apis bei der asiatischen Honigbiene (Apis cerana) gefunden. Und der hat jetzt im letzten Jahrzehnt den Wirt gewechselt, von der asiatischen auf die europäische Honigbiene, und sich rasant ausgebreitet. In vielen Gebieten gibt es heute nur noch Nosema ceranae. Das heißt, dieser neue Darmparasit scheint den alten zu verdrängen, und dies kann mit höheren Völkerverlusten einhergehen.
    Da fängt die Erkenntnisgewinnung grade erst an. Nosema ceranae ist auch bei uns schon weit verbreitet, viele Völker haben beide Darmparasiten. Jetzt müssen wir herausfinden: Gibt es wirklich ursächliche Zusammenhänge zwischen Völkersterben und Nosema ceranae? Wenn die Bienen Durchfall bekommen, überträgt es sich schneller? Das sind alles Fragen, die wir beantworten müssen, und zeitweise müssen wir schon daran arbeiten, eine Behandlungsmöglichkeit zu finden. Früher, bei Nosema apis, konnte der Imker durch optimale Völkerführung diese Krankheit wieder in den Griff bekommen, indem er z. B. mehr Jungbienen gefördert hat, weil eben vorwiegend die Altbienen erkranken. Womöglich, wir wissen es noch nicht, ist das bei Nosema ceranae nicht möglich. Es gab früher auch Behandlungsmöglichkeiten mit Antibiotika oder Antiinfektiva bei Bienenvölkern, das ist in Europa aber inzwischen verboten, wegen der Rückstandsproblematik im Honig. Es muß z. B. etwas sein, was natürlicherweise auch im Honig vorkommt. Die Varroamilbe wird jetzt in der Regel mit organischen Säuren wie Ameisen-, Milch- und Oxalsäure behandelt; man kann sie einsetzen, ohne befürchten zu müssen, daß es zu Resistenzentwicklungen kommt. Die Anwendung ist recht gut wirksam und verschafft uns genug Zeit für das, was Professor Bienefeld macht – der Leiter unseres Institutes hier: die varroatolerante Biene zu züchten. Das wäre bei
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