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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber
Autoren: Daniel Silva
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ein Junge auf. Schwere Verletzungen, keine Papiere. Der Arzt fragt ihn nach seinem Namen. Der Verletzte gibt an, Jusef al-Tawfiki zu heißen.
    »Wie ist er zu der Rückenverletzung gekommen?« wollte Gabriel wissen.
    »Die hat ihm ein mit dem Dienst in Verbindung stehender Arzt beigebracht. Der Junge wurde im Krankenhaus in Westbeirut behandelt, und die Vereinten Nationen begannen, seinen mysteriösen Onkel in London zu suchen. Sie brauchten über eine Woche, um ihn zu finden. Als der Onkel hörte, was seinem Neffen zugestoßen war, sorgte er dafür, daß der Junge zu ihm nach England kommen durfte.«
    Er war ein Kind von 13, vielleicht 14 Jahren, dachte Gabriel. Wo hatte Schamron ihn gefunden? Wie hatte er ihn ausgebildet? Das war zu monströs, um darüber nachzudenken.
    Schamron schnalzte so laut mit seinen kräftigen Fingern, daß Rami, der vor dem Wachhäuschen an der Auffahrt stand, ruckartig den Kopf hob.
    »Einfach so hatten wir einen Agenten im feindlichen Lager, einen Jungen, dessen Leben mit unvorstellbarer Brutalität zerstört worden war. Einen Jungen mit hitzigem Temperament, der die Israelis haßt. Einen Jungen, der eines Tages ein Kämpfer werden und sich an den Leuten rächen wird, die seine Angehörigen massakriert haben.«
    »Bemerkenswert«, sagte Gabriel.
    »Als Jusef alt genug war, hat er sich in London in Kreisen radikaler Palästinenser bewegt. Dort wurde ein Talentsucher von Tariqs Organisation auf ihn aufmerksam. Sie haben ihn überprüft. Ihrer Überzeugung nach war er clean. Sie haben ihn
    in ihrer Spionage- und Planungsabteilung arbeiten lassen. Damit hatte der Dienst einen Agenten in einer der gefährlichsten Terrororganisationen der Welt. Er war so wertvoll, daß für sein Material der kürzeste Verteiler in der Geschichte des Diensts galt mit nur einem Namen, meinem.«
    Schamron setzte sich und bot Gabriel mit einer Handbewegung den freien Sessel an. Gabriel blieb stehen.
    »Vor einigen Monaten hat Jusef uns einen faszinierenden Bericht geschickt. Innerhalb der Organisation machte ein Gerücht die Runde: Tariq hat einen Gehirntumor.
    Tariq hat nicht mehr lange zu leben. Sofort begann der Kampf um die Nachfolge. Tariqs führende Mitarbeiter versuchten, sich eine gute Ausgangsposition zu verschaffen. Und in der Meldung stand noch etwas: Tariq wollte nicht unauffällig abtreten, sondern sich mit einem Paukenschlag verabschieden. Einen Botschafter oder auch zwei ermorden. Ein paar Bombenanschläge auf die Büros von Fluggesellschaften verüben. Oder vielleicht ein Verkehrsflugzeug abschießen.«
    »Deshalb kommen Sie nach dem Pariser Anschlag zu mir. Sie erzählen mir diese traurige Geschichte, daß der Dienst kaum noch funktionsfähig ist. Daß der Dienst praktisch eine Karte brauchte, um den Dienst zu finden. Ich bin dumm genug, darauf reinzufallen. Gleichzeitig lassen Sie Tariq ins Ohr flüstern, daß ich wieder da bin und nach ihm fahnde. Und damit beginnt das Spiel.«
    »Seine Organisation war in strikt getrennte Bereiche gegliedert. Obwohl ich Jusef dort eingeschleust hatte, war mir klar, daß es schwierig sein würde, Tariq zu erledigen. Ich mußte ihm helfen, einen Fehler zu machen. Ich dachte, mit Gabriel Allon als Köder könnte ich ihn wütend machen. Ich dachte, ich könnte ihn dazu bringen, zum Angriff überzugehen und sich so lange aus der Deckung zu wagen, bis ich ihm mein Schwert ins Herz stoßen könnte.«
    »Also setzen Sie mich auf Ihren eigenen Agenten Jusef an. Sie erzählen mir, daß eine Frau am leichtesten an ihn herankommen könnte. Das steht in seiner Akte. Ich beobachte ihn zwei Tage lang, sehe ihn mit zwei verschiedenen jungen Frauen. Waren die auch vom Dienst abgestellt?«
    »Das waren Jusefs Mädchen. Jusef hat nie Schwierigkeiten gehabt, selbst Frauen zu finden.«
    »Ich bitte Jacqueline, mir zu helfen. Ihr Einsatz soll nur ein paar Tage dauern. Aber Jusef beginnt sich für sie zu interessieren. Jusef will sich weiter mit ihr treffen. Ich verlange, daß sie abgezogen wird. Aber Sie zwingen mich dazu, sie weiterarbeiten zu lassen.«
    Schamron verschränkte die Arme, reckte sein Kinn vor. Er wollte offenbar sehen, wieviel Gabriel selbst herausbekommen hatte.
    »Jusef erzählt seinen Leuten, daß er glaubt, überwacht zu werden. Er erzählt ihnen auch von der Französin, die seine neue Freundin ist. Er erzählt ihnen, sie sei wahrscheinlich eine israelische Agentin. Tariq ist begeistert. Das ist die Chance, auf die er gewartet hat. Er weist Jusef an, sie unter
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