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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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kaum wahrnahm, auch das Grasland, dem sie entgegenfie-len und über welches sie nun der Wüste entgegenrasten, Schakale und Kaninchen aufscheuchend, Schlangen, die wie Pfeile davonschossen, und anderes Getier, hinein in die Steinwüste, von einem schwarzen krächzenden Gewölk umhüllt, stunden-lang wie es ihr schien, dann als die Vögel zurückblieben, in grelles Sonnenlicht getaucht, bis der Geländewagen eine Staubwolke aufwirbelnd, vor einem eher flachen Schutthaufen jäh stoppte, mitten in einer Ebene, die wie eine Marslandschaft schien, ein Eindruck, der vielleicht durch das Licht zustande-kam, das sie ausstrahlte, war sie doch von einer seltsamen halb metallisch rostigen, halb felsigen Materie bedeckt, in der gigantische verbogene Metallformen, unförmige Stahlsplitter und Stacheln steckten, wie hineingewuchtet, was die F., als die Staubwolke, die sich endlich gelegt hatte, gerade noch wahrzu-nehmen vermochte, denn schon sank der Geländewagen nach unten, über ihm schloß sich eine Decke, wonach sie sich in einer unterirdischen Garage befanden und auf die Frage, wo sie sei, antwortete er etwas Unverständliches, eine Eisentür glitt auf und er hinkte ihr durch weitere aufgleitende Eisentüren halb keller-, halb atelierhafte Räume voraus, die Wände eng mit kleinen Fotos bedeckt, als wären entwickelte Filmrollen 52

    absurderweise in lauter Einzelbilder zerschnitten worden, in einem wilden Durcheinander mit Stößen von Fotobüchern auf Tischen und Stühlen lagen Großaufnahmen zerschossener Panzerwagen herum, dazu Stöße vollgekritzelter Papiere, Berge von Filmrollen, Gestelle, an denen Filmausschnitte hingen, auch Körbe voll mit Filmresten, dann ein Fotolabor, Kästen voller Dias, ein Vorführraum, ein Korridor, worauf er sie, mit dem hinkenden Bein immer wieder einknickend und schwankend, so betrunken war er, in einen fensterlosen Raum führte, dessen Wände mit Fotos bedeckt waren, mit einem Jugendstilbett und einem kleinen Tisch des gleichen Stils, ein grotesker Raum, an den sich eine Toilette und ein Duschraum anschlossen, das Gästeappartement, wie er sich mühsam ausdrückte, gegen die Wand des Korridors taumelte und die F., die mißmutig das Innere der Zelle betrat, allein ließ, doch als sie sich wandte, hatte sich die Türe geschlossen.

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    Erst allmählich wurde sie sich der Furcht bewußt, die sich ihrer bemächtigt hatte, seit sie in dieser unterirdischen Anlage war, eine Erkenntnis, die sie bewog, statt das Unvernünftigste das Vernünftigste zu tun, von der Türe, die sich nicht öffnen ließ, zu lassen, ihre Furcht zu ignorieren, sich aufs Jugendstilbett zu legen und zu überlegen, wer Polyphem sein könnte, von einem Kameramann, der diesen Übernamen trug, hatte sie noch nie gehört, auch war rätselhaft wozu diese Anlage dienen könnte, sie mußte mit enormen Kosten erstellt worden sein, aber von wem, und was bedeuteten diese riesenhaften Trümmer um die Anlage herum, was ging hier vor und was sollte der seltsame Vorschlag, ihr Porträt gegen das der Jytte Sörensen zu tau-53

    schen, Fragen über denen sie einschlief und als sie jäh auf-wachte, war es ihr als hätten die Wände gezittert und das Bett getanzt, was sie geträumt haben mußte, unwillkürlich begann sie die Fotos zu betrachten, mit steigendem Grauen, stellten sie doch dar, wie Björn Olsen in die Luft gesprengt wurde, die Fotos mußten mit einer Kamera von einer technischen Präzision aufgenommen worden sein, die für sie unvorstellbar war, erblickte man auf dem ersten Foto nur den VW-Bus in Umris-sen, erschien auf dem nächsten, dort wo man die Kupplung vermuten konnte, eine kleine weiße Kugel, die sich auf den folgenden Fotos ausweitete, der Bus schien im Verlauf der Serie gleichzeitig durchsichtig und verformt zu werden und auseinanderzufallen, auch war zu sehen, wie Olsen von seinem Sitz gesprengt wurde, die verschiedenen Phasen wirkten um so gespensterhafter, als Olsen, von seinem Sitz in die Höhe gehoben, während seine rechte Hand, das Lenkrad umklam-mernd, sich von seinem Arm löste, vergnügt zu pfeifen schien, und, entsetzt über die fürchterlichen Fotos, sprang sie aus dem Bett und näherte sich instinktiv der Tür, die sich zu ihrer Verwunderung öffnete, doch froh aus dem Zimmer zu sein, das sie als Gefängniszelle empfand, trat sie in den Korridor, der war leer, sie witterte eine Falle, blieb stehen, irgendwo hämmerte jemand gegen eine Eisentüre, sie ging dem Geräusch nach, die Türen glitten auf,
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