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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag
Autoren: Jutta Ahrens
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mit dem Mund. Bei der federleichten Berührung durchlief Jaryn ein Wonneschauer. So zärtlich war Rastafan sonst nie gewesen. Jaryn schlang ihm die Arme um den Hals und zog ihn zu sich heran. Sie küssten sich sanft, dann fester und dann immer wilder. Sie hielten sich bei den Haaren, durchwühlten sie, stöhnten und bissen sich die Lippen blutig. »Ich liebe dich so sehr«, stieß Rastafan heiser flüsternd hervor.
    Jaryn wollte es glauben, obwohl Worte im Liebesrausch gesprochen nicht zählten. »Es ist schön, dass du es sagst. Wir haben es beide gespürt, aber manchmal ist es notwendig, dass etwas ausgesprochen wird.«
    »Sonst spreche ich nicht gern über Gefühle.«
    Eine Weile sagte niemand ein Wort. Das Schweigen ließ sie zur Ruhe kommen, und mit der Ruhe kamen die Gedanken.
    »Bist du wirklich nur meinetwegen hier heraufgekommen?«, fragte Rastafan plötzlich. »Der Weg ist doch lang und beschwerlich.«
    »Ich wollte den Besuch bei dir mit Anamarna verbinden«, log Jaryn. »Du weißt wohl, dass ich mit meiner Suche nicht weiterkomme, vielleicht kann er mir doch einen Rat geben.«
    »Ein schöner Weiser, der dich so ganz ohne Anhaltspunkte nach einem Unbekannten Ausschau halten lässt.«
    »Nun«, murmelte Jaryn, »er hat gesagt, er werde mir begegnen, und dann werde ich wissen, dass er es ist.«
    »Und woran wirst du ihn erkennen?«
    Jaryn zuckte die Achseln. »Ich nehme an, wenn ich ihm gegenüberstehe, wird mich die Erkenntnis wie ein Blitz treffen. Aber bis jetzt …« Er blinzelte und versuchte, harmlos zu lächeln. »Bis jetzt war da noch kein Blitz.« Flüchtig dachte er an die überwältigende Lust, die er bei Rastafan empfunden hatte, aber konnten so alltägliche Empfindungen, die wahrscheinlich alle Liebenden fühlten, auf den Prinzen hinweisen? Früher hatte er geglaubt, nur Achay selbst könne solche Leidenschaften in ihm entfachen. Dass ein anderer Mann das Gleiche vollbracht, ja dass er den Gott noch übertroffen hatte, das war eine Überraschung für Jaryn gewesen, aber war es auch das Zeichen, das Anamarna gemeint hatte?
    Rastafan hielt die ganze Angelegenheit für unsinnig. Ein Prinz sollte gefunden werden, der das Böse in Jawendor ausrotten oder erst beflügeln sollte, so richtig war er noch nicht dahinter gekommen. Wie konnte ein einziger Mensch das bewirken? Und auf welche Weise wollte Jaryn ihn dem Herrn der Abgründe entreißen? Aber weil es eine Sache unter Priestern war, fragte er nicht weiter nach. Jaryn fragte ihn auch nicht über das Räuberlager aus.
    Jeder lebte in seiner Welt, nicht nur, was die äußere Umgebung anging; vor allem im Innern waren sie völlig unterschiedliche Menschen. Sie fühlten sich in Liebe zueinander hingezogen, aber ein Schürfen in der Seele des anderen hätte diese Liebe unweigerlich zerstört. Sie war heißblütig und stark nur durch das Ausblenden all dessen, was sie trennte. Mit Unwissen über den anderen retteten sie sich über die Spalten und Klüfte ihrer verschiedenen Auffassungen hinweg.
    Jaryn wäre über die tiefgründigen Gedanken Rastafans erstaunt gewesen, aber seine Miene war heiter, nur der immerwährende Spott funkelte in seinen Augen, was Jaryn rebellisch machte, weil er es so an ihm liebte. Und dann tat er doch das, was Rastafan nicht erwartet und nicht gewollt hatte: Er stellte eine Frage nach seinem Leben bei den Berglöwen. »Ich weiß ja, dass ich in eurem Lager nicht willkommen bin«, begann er umständlich, »aber ich möchte mir doch vorstellen, wie es bei euch zugeht. Leben bei euch außer deiner Mutter auch andere Frauen?«
    Rastafan runzelte kurz die Stirn, aber dann sagte er sich, dass Jaryn eben neugierig war und ein Recht darauf hatte, einiges zu erfahren. Belanglose Dinge eben, die ihn nicht verschreckten. »Nein, darauf hat meine Mutter nach dem Tode meines Vaters bestanden. Keine Frauen, sonst wären die Männer nicht zu bändigen.« Rastafan grinste. »Sind ja nicht alle so wie ich.«
    Jaryn lächelte ebenfalls. »Eine richtige Familie gründet also keiner von ihnen? Ich meine, dann würde die Frau nur zu ihrem Mann gehören, und es gäbe keinen Ärger.«
    »Wer heiraten will, muss das Lager verlassen. Es bliebe nicht aus, dass Kinder kommen. Wir wären bald ein ganz gewöhnliches Dorf, und das wäre bei unserer Lebensweise nicht zweckmäßig. Wir leben wie Krieger in einem Feldlager. Nur auf diese Weise können wir unsere Kampfkraft erhalten. Wenn wir uns amüsieren wollen, gehen wir nach Narmora an der achladischen
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