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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren
Autoren: Edo Popovic
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Ordnung?
    Fraktalfrau lacht.
    Eigentlich bezieht sich das nicht auf ihn, sie zeigt auf das verdreckte Denkmal, sondern auf Buddha, das ist der Vers eines verrückten Zen-Mönchs.
    Entlang des Paseo de Uruguay nähert sich eine Gruppe Frauen, begleitet von Trommlerinnen mit auffällig gepuderten Wangen, geschminkten Lippen und Augen, gekleidet in schwarze Tops und grellrote Miniröcke, mit schwarzen Netzstrümpfen und Schuhen mit hohen Absätzen. Die Frauen tragen ein zehn Meter langes Transparent aus festem Stoff mit sich: WIR SIND KEINE HEILIGEN – WIR SIND NUTTEN, FEMINISTINNEN, WIR TREIBEN AB UND WIR SIND VERRÜCKT.
    Ich kenne dieses Transparent, sagt Fraktalfrau.
    Dein Wissen ist unerschöpflich, ganz egal, ob es um Zen-Dichtung, Feminismus, Psychologie oder was auch immer geht, sagt Gärtner bissig.
    Ich sehe nur das, was ich betrachte, sagt sie.
    Was soll das heißen, als würde ich nicht sehen, was ich betrachte.
    Genau, du siehst nur dich selbst, sagt sie gehässig. Vor einigen Jahren habe ich eine Reportage über die Proteste in Barcelona gegen den Papst gesehen, und da tauchte dieses Transparent auf.
    Und daran kannst du dich erinnern?
    Ja, dieser Spruch gefällt mir. Damals haben die Leute Transparente mit der Aufschrift ICH WARTE NICHT AUF DICH an ihre Balkone gehängt, und das fand ich auch gut.
    Der Lieferwagen mit den Lautsprechern begann sich auf den Ausgang des Parks zuzubewegen. Hinter ihm reihten sich die Trommlerinnen und die Demonstranten ein.
    JESUS WÄRE HEUTE AUF UNSERER SEITE
    KEINEN CENT MEHR DER KIRCHE!
    Sie gingen zum Bahnhof Atocha. Der Hauptteil der Demonstration versammelte sich um das Denkmal für die Opfer des Attentats vom 1. März 2004, an dem der Papst beten sollte. Der Verkehr um den Bahnhof herum lag lahm. Tausende Demonstranten standen einem schwer gerüsteten Polizeikordon gegenüber, unterstützt von Reitertruppen, gepanzerten Transportern mit Frontgittern und Wasserwerfern. Hubschrauber kreisten über der Stadt.
    JESUS WÜRDE NICHT UNSERE STEUERN ABSAUGEN
    VATIKAN ABSCHAFFEN – SOFORT!
    Auf einem Plakat war der Papst mit einem Hakenkreuz auf der Brust abgebildet. Und sein Gewand wurde von drei übergewichtigen Männern gehalten, einer mit Generalsuniform mit Epauletten, der zweite mit Polizeiuniform, während der dritte mit einem Frack bekleidet war und einen Geldsack geschultert hatte. Ein anderes Plakat zeigte zwei Männer, die sich küssten, und man konnte lesen NO PASSARÁN! Auf einem dritten Plakat war Jesus gezeigt, der Magdalena umarmte und die Tiara und das Wappen des Papstes zertrat.
    An der Ecke zum botanischen Garten stehen ungefähr zwanzig Polizisten und starren hinter ihren geschlossenen Visieren auf den Demonstrationszug.
    Hör mal, sagt Gärtner, wie wäre es, wenn wir uns langsam hier verdrücken würden, ich möchte lieber nichts mit den Bullen zu tun bekommen. Denen kann weiß Gott was einfallen, du siehst doch, wie aufgeladen die sind.
    Du hast Schiss, nicht wahr, sagt Fraktalfrau, du denkst, dass der Kardinal sich beim Papst beschwert hat, dass du seinen Liebling umgelegt hast, und dass all diese Typen jetzt hinter dir her sind.
    Blöder Witz. Wir sind nicht hierhergekommen, um Probleme zu suchen.
    Warum sind wir dann hier?
    Du weißt das doch am besten, sagt er, es war deine Idee, hierherzukommen.
    Wegen Lorca, sagt sie.
    Sie machten einen großen Bogen um den Polizeikordon und den botanischen Garten und stiegen zum Paseo del Prado herab. Aus Richtung Bahnhof drang das Stimmengewirr der Demonstranten zu ihnen, verstärkt durch die Trommeln und Trillerpfeifen. Sie überquerten die leergefegte, schattige Avenue, über der die Baumkronen riesiger Platanen, Mittelmeerkiefern, Lärchen ein Dach bildeten, und sie begannen die Calle de las Huertas in Richtung Stadtzentrum hinaufzulaufen. Es war kurz vor Mittag. Die Calle de las Huertas ist eine Einbahnstraße mit vielen Bäumen, in Madrid ist Schatten kostbar. Ein bärtiger Mann mit zersaustem Haar, der auf einer Bank aus Stein unter einem Akazienbaum lag, schlüpfte aus seinem Schlafsack. Als er sie sah, hielt er ihnen seine schmutzige, fettige Bettelbüchse aus Pappe hin.
    Es ist nicht Geld, was du brauchst, mein Freund, murmelte Fraktalfrau im Vorbeigehen.
    Danke für die Liebenswürdigkeit und das Verständnis, rief er hinter ihr her.
    Sag mal, warum hast du ihm nicht ein paar Cent gegeben?, fragte Gärtner.
    Weil auch wir bald eine solche Bettelbüchse brauchen werden, antwortete sie. Oder wir müssen
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