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Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn
Autoren: Matt Beynon Rees
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Vater«, murmelte er.
    Omar Jussuf erinnerte sich, dass Ismail in der Nacht von Marwans Ermordung das Café beobachtet hatte und sich sicher gewesen war, dass Nisar ihn nicht umgebracht haben konnte. »Rania hat ihren Vater ermordet, nicht wahr?«, sagte er zu Nisar. »Du warst es gar nicht. Sie hat ihn getötet, weil er sie so oft geschlagen hat.«
    Nisar schüttelte schwach den Kopf. »Nicht wegen der Schläge. Die Leiche im Schlafzimmer – sie dachte, ihr Vater hätte mich umgebracht, um unsere Heirat zu verhindern. Sie hat ihn ermordet, um meinen Tod zu rächen.«
    Als Omar Jussuf mit ihr am Tag nach Marwans Ermordung in ihrem Büro gesessen hatte, war ihm ihr Zorn für eine des Vaters beraubte Tochter unangemessen vorgekommen. Aber jetzt verstand er, dass ihre Wut auf den Mann, den sie umgebracht hatte, auch noch nach seinem Tod geschwelt hatte.
    »Deswegen hast du dich des Mordes an ihm bezichtigt?«, sagte Omar Jussuf. Nisar war sowieso schon ein Mörder – er hat Raschid umgebracht, dachte er. Solange Rania in Freiheit war, konnte er immer noch von seinem Lohn hier auf Erden träumen.
    »Mein Paradies, meine dunkeläugige Huri .« Nisars Atem stockte, und seine tief liegenden Augen traten hervor.
    Chamis Sejdan ließ sich aufs Sofa fallen. »Ich habe deinen Vater nicht getötet, Nisar.«
    Der junge Mann hatte Mühe, seinen Blick auf den Polizeichef zu richten. Seine Augen verrieten, dass er besiegt war und bereit, alles zu glauben.
    »Einer seiner Artikel porträtierte den syrischen Präsidenten als Feigling und Verräter. Deshalb hat ihn ein syrischer Agent ermordet.« Chamis Sejdan schob die Pistole ins Schulterhalfter. »Der Alte hat mich nach Amerika geschickt, um den Tod deines Vaters zu rächen. Ich habe den syrischen Attentäter getötet. Das war mein Auftrag in New York.«
    Nisars Blick glitt zur Decke. Omar Jussuf spürte, dass der Junge zitterte. Er drückte ihn fester an sich. »Wie war mein Vater?«, flüsterte Nisar.
    Omar Jussuf fing Chamis Sejdans Blick auf und strahlte. »Er war ein mutiger Mann«, sagte der Polizeichef und wandte sich ab.
    Nisar zitterte.
    »Du darfst jetzt deinen Lohn in Empfang nehmen, mein Sohn.« Leise wie ein Wiegenlied sang Omar Jussuf den Refrain des libanesischen Liedes, dem Rania im Café gelauscht hatte: Nimm mich, nimm mich, nimm mich mit nach Haus . Er dachte an die beiden Liebenden, deren Glück, dadurch, dass ihre Familiengeschichten tief in die finsteren Probleme des Nahen Ostens verstrickt waren, unterdrückt und zerstört worden war. Es war der Stoff, den er an der Schule unterrichtete – er hätte wissen müssen, dass dieser Stoff sie unausweichlich umbringen würde. Darin, das begriff er jetzt, waren sie tragische Menschen.
    Ala kniete vor seinem Freund und der Frau, die er geliebt hatte. Er schob Rania eine Haarsträhne hinters Ohr und nahm Nisars Hand. Er küsste sie und weinte, während sie kalt wurde.

Kapitel
33
    Ein schwerer Lastwagen rumpelte über eine Straßenschwelle und ließ in seinem Fahrtwind die beiden Flaggen in der Mitte der Dehaischastraße flattern. Die irakische Trikolore mit ihren Sternen und der Beschwörung der Größe Allahs klatschte über dem Laternenpfahl gegen das Rot, Weiß, Schwarz und Grün der palästinensischen Fahne. Omar Jussuf verzog das Gesicht wegen des Radaus, den die aufgewirbelten Steine am Heck des Lastwagens verursachten, während er hügelaufwärts zu den Kalksteinbrüchen fuhr. Er winkte den Letzten der Mädchen zu, die aus dem blauen Tor vorm Schulhof kamen, und fragte sich, wann sein Budget es ihm erlauben würde, die Einschusslöcher in der Umgebungsmauer verputzen zu lassen. Es war sein erster Arbeitstag nach seiner Rückkehr aus New York. Hinter seinem zerkratzten alten Pult fühlte er sich zu Hause.
    In der Wärme des späten Februars trug er ein kurzärmeliges hellblaues Hemd. Er liebte die letzten Winterwochen, wenn die klaren Wüstentage schon milder wurden, die Nächte aber noch kalt waren, doch die Sonne schien heiß genug, dass er in der Luft den Wäscheduft seines Hemds riechen konnte, als käme es frisch aus dem Trockner.
    Als er das andere Ende des Lagers erreichte und die Veranda seines türkischen Hauses aus grauem Stein betrat, waren seine Achselhöhlen feucht, und er war froh, seine malvenfarbene Ledertasche absetzen zu können. Seine Lieblingsenkelin Nadia ging um den Esstisch im Foyer herum und stellte eine Suppenschüssel darauf ab. Der Duft nach Linsen und gebratenen Zwiebeln zog durch
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