Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
rief Dr. Kresin.
    »Nein! Beruhige dich. Ich werde sie versetzen lassen.«
    »Und wenn der Vater ein Deutscher ist? Das gibt Scherereien mit Moskau.«
    »Wer will beweisen, daß es ein Deutscher ist? Sagt nicht der Genosse Major, daß auch die Offiziere …?«
    Dr. Kresin stieß seinen Sessel weg und fegte das Papier vom Tisch.
    »Fressen, saufen und huren, das ist alles, was man hier kann! Macht den Dreck allein – ich habe nichts gehört und nichts gesehen!« Er ging aus dem Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.
    Es verbreitete sich wie ein Lauffeuer – bald wußte es das ganze Lager, daß Bascha schwanger war. Michail Pjatjal verkroch sich in sein Hinterzimmer, um den Spott nicht zu hören, mit dem man ihn bedachte. Hans Sauerbrunn brachte es fertig, ihn aufzustöbern und ihm Grüße von den Mitvätern zu bestellen. Da schlug Pjatjal mit einer Pfanne um sich und schrie, daß er Bascha eher erwürge, ehe sie das Kind zur Welt bringe!
    Es war ein böser Satz, den er nicht hätte sagen sollen, denn er wurde in der Nacht schreckliche Wahrheit. In der Nacht nämlich fand man Bascha unter der Treppe zum Küchenkeller. Sie lag auf einem Stapel von Säcken, mit dem Gesicht nach unten. Das Kleid war im Rücken etwas aufgeschlitzt und mit Blut durchtränkt. Auf der linken Seite des Rückens klaffte eine tiefe Wunde – der Stich eines breiten Messers.
    Als Dr. Kresin sie aufhob, war sie schon tot. Es war ein Mord, glatt und eindeutig.
    Major Worotilow zögerte nicht. Er sperrte das Lager sofort ab, verstärkte die Wachen, setzte Pendelposten ein, telefonierte mit Stalingrad und bat um die Hilfe des Geheimdienstes. Noch in der gleichen Nacht wurden alle auf der Liste Baschas verzeichneten Plennis aus den Betten geholt und in die leere Strafbaracke geschleift, die Pakete und die Post gesperrt, alle Vergünstigungen wurden aufgehoben – das Lager wurde um Jahre zurückversetzt.
    Und niemand sprach mehr von Entlassung …
    Dr. Böhler und Dr. von Sellnow sezierten noch in der gleichen Nacht die Leiche und stellten fest, daß dem Mord ein erbitterter Kampf vorangegangen sein mußte.
    Dr. Kresin sah Worotilow mit rotumränderten Augen an. »Es geht jetzt nicht mehr um Bascha«, sagte er leise. Und weil er leise sprach, wußte jeder, daß es gefährlich war, was er sagte. »Es geht jetzt um die russische Ehre … um ein Mädchen aus unserem Volke, das mißhandelt und dann ermordet wurde. Wer es auch war – einer der unsrigen oder einer der Plennis –, der Kerl wird hängen …«
    Dr. Böhler streifte die Gummihandschuhe ab, während Dr. von Sellnow die Leiche notdürftig zusammennähte. Er wandte sich um und schüttelte, zu Kresin gewandt, den Kopf.
    »Wie wollen Sie das jemals herausbekommen? Wenn es auch andere wissen – man wird den Mörder nie verraten! Wo wollen Sie bei der Suche beginnen? Bei Ihrer Liste? Wer sagt Ihnen denn, daß es nicht einer der Wachmannschaften war? Woher sollen wir deutschen Gefangenen solch ein breites Messer bekommen?«
    »Ich werde ihn finden!« sagte Dr. Kresin starrköpfig. »Und wenn ich durch Strafmaßnahmen die Leute so butterweich mache, daß sie Vater und Mutter verraten, um ein Stück Brot zu bekommen!«
    Am Abend trafen drei Kommissare des MWD im Lager ein. Man untersuchte noch einmal die Leiche, man verhörte die Soldaten in der Strafbaracke und erfuhr, daß Bascha sie in den Küchenkeller oder in die Kartoffelmieten lockte und sich dort selbst anbot, daß sie sich vor die Soldaten hinstellte, den Rock hochhob und rief: »Wer will …?« Die Kommissare klappten die Protokolle zu und schickten die Plennis zurück in die Baracken. Worotilow zuckte mit den Schultern.
    »Die kleine Bascha war ein Mistfink, zugegeben. Aber wer hat sie umgebracht?«
    Michail Pjatjal wurde vorgeführt. Er war zusammengebrochen, er heulte und betete die heilige Mutter von Kasan und den heiligen Michael an, er beteuerte seine Unschuld und schrie: »Ich habe es nur so gesagt, Brüder, daß ich sie umbringen wollte! Ich habe nie daran gedacht! Glaubt es mir doch, Genossen! Ich habe sie liebgehabt, meine Baschaska! Ich möchte mich selbst töten, Brüderchen …«
    Die Kommissare fuhren wieder nach Stalingrad zurück, die Strafen wurden gelockert – es gab wieder normales Essen und die Rationen aus den Paketen. Bascha wurde feierlich begraben, man mußte Pjatjal mit Gewalt daran hindern, ihr ins Grab nachzuspringen, so verzweifelt gebärdete er sich. Markow hielt ihn erst fest, aber als er um sich schlug,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher