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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die langsame Genesung war seine Leidenschaft für die Ärztin merklich abgekühlt. Wenn er jetzt an ihrem Bett saß und über ihren Körper strich, so war es mehr das Gefühl einer schönen Erinnerung, vermischt mit der bei ihrem Anblick wieder erwachenden Lust, sie zu besitzen. Rein triebhaft waren die Gedanken, fern aller Ideale, in die er sich hineingeträumt hatte, als Alexandra ihm im Außenlager ›Fabrik Roter Oktober‹ den Haushalt führte und er von einem Taumel in den anderen fiel. Er wußte, daß es auch jetzt wieder diese Nächte geben würde, daß es keinen anderen Weg gab, aus ihrer Liebe zu entfliehen, als abzuwarten und eine scharfe Grenze zu ziehen – an dem Tag, an dem er mit den anderen abfuhr in die Heimat. Was dann für Alexandra kam … er wagte nicht daran zu denken. Es mußte der Zusammenbruch eines Menschen sein, dem alle Himmel einstürzten und der verlassener dastand als der letzte Überlebende einer Weltraumtragödie.
    In einer dieser Nächte erzählte ihm Alexandra vom Tod Janinas. »Sie starb aus Liebe«, sagte sie traurig.
    »Und was würdest du tun, wenn ich gehe?« fragte Sellnow.
    »Ich würde nicht mich, sondern dich umbringen!«
    »Das wäre töricht, Alexandraschka. Du willst mich umbringen, weil ich fortgehe – aber wenn ich tot bin, hast du auch nichts von mir.«
    »Das stimmt.« Sie lächelte ihn an. Er sah ihre weißen starken Zähne hinter den blutvollen Lippen, das Gebiß eines unersättlichen Raubtieres.
    »Aber auch die anderen haben dann nichts von dir! Die Frauen in Deutschland! Ich gönne dich keiner anderen Frau! Nur mich darfst du haben … Sascha … nur mich …« Sie strich ihm über die Augen und küßte ihn. »Aber sie lassen dich ja nicht gehen …«, sagte sie an seiner Brust. »Noch bist du krank … Du bleibst noch lange bei mir … immer, Sascha …«
    Und Sellnow schwieg …
    Am nächsten Morgen bat Dr. Kresin Worotilow und die Kasalinsskaja zu einer kleinen Aussprache. Er saß in seinem Sessel wie ein rächender Gott und nahm sich keine Mühe, seine Stimmstärke zu dämpfen.
    »Mit Weibern arbeiten – das ist schlimmer als einen Sack Flöhe hüten! Heulend kommt eben Pjatjal, dieser räudige Hund, zu mir und fleht mich an, der Bascha ein Kind abzutreiben! Im vierten Monat ist die Person! Himmeldonnerwetter!« Er sah Worotilow an, der breit grinste, und hieb auf den Tisch. »Ich fragte die Bascha: ›Ist der Pjatjal der Vater?‹ Und was sagt das Mistvieh? ›Weiß ich nicht, Brüderchen. Es waren viele, die mich auf den Rücken legten! Viele Plennis! Auch der Michail, ja, aber der Michail ist ein bequemer Bursche, ein faules Aas ist das … Aber die Deutschen … o jeh … die haben Feuer!‹ Das sagt mir dieser Hurenbalg. Und ich klebe ihr eine und will wissen, wer es alles war! Genosse Major … wenn ich die Liste dieser Kerls vorlese, brauche ich einen ganzen Nachmittag! Es ist eine Schande! Wir haben hier kein Gefangenenlager … wir haben hier einen gutgehenden Puff!«
    Major Worotilow winkte ab. »Steht Leutnant Markow auf der Liste?«
    »Der auch!« schrie Dr. Kresin.
    »Und was denken Sie von den Wachmannschaften? Ich glaube, sie alle kennen die Bascha!«
    »Ein Soldatenpuff!« stöhnte Dr. Kresin. »Ich habe es gesagt … alle Weiber weg!«
    Die Kasalinsskaja lächelte liebenswürdig. »Auch ich bin eine Frau! Und die Tschurilowa.«
    Dr. Kresin sah die russische Ärztin mit schrägem Kopf an. »Auch Sie sollten weg«, sagte er grob. »Was Sie aus dem guten Sellnow machen, ist strafbar!«
    »Dr. Kresin!« rief sie empört und sprang auf. »Ich verbitte mir das!«
    Worotilow winkte ab. »Sei friedlich, Alexandra. Laß uns nicht streiten über Dinge, die wir alle wissen! Es geht um Bascha. Sergeij Basow hat sich geweigert, Bascha das Kind wegzunehmen!«
    »Einen Teufel werde ich!« schrie Dr. Kresin. »Die Bascha soll ihren Balg auf die Welt bringen und den Michail heiraten! Soll er besser aufpassen auf sie! Aber den Kerlen …«, er klopfte mit der Faust auf ein Blatt Papier, auf dem die Namen aller Männer standen, die Bascha angegeben hatte –, »denen werde ich es zeigen! Ich möchte sie kastrieren!«
    »Nicht doch!« Die Kasalinsskaja lachte breit. »Warum wollen Sie die Frauen bestrafen, Brüderchen?«
    Dr. Kresin riß die Augen auf, dann schlug er sich grölend auf die Schenkel. »Verdammtes Weib!« rief er. »Aber was soll ich tun?«
    »Ich werde mit der Bascha sprechen.« Die Kasalinsskaja erhob sich.
    »Aber du treibst es nicht ab!«
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