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Der Angstmacher

Der Angstmacher

Titel: Der Angstmacher
Autoren: Jason Dark
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Fühlst du dich nicht wohl? Frierst du plötzlich?«
    »Das nicht…«
    »Aber?«
    Sally sah den fragenden und starren Blick der Mutter auf sich gerichtet. Sie mußte eine Antwort geben, obwohl sie die Gänsehaut nicht erklären konnte. »Mir ist nur so komisch, Muni.«
    »Wie komisch?«
    »Anders.«
    Ellen Saler lachte. »Ich glaube, mein Kind, du bist entwöhnt. Es ist die Aufregung. Ich werde uns gleich etwas zu essen holen, dann trinken wir ein Glas Sekt, und danach sieht für uns beide die Welt schon wieder ganz anders aus.«
    Sie hatte so bestimmend gesprochen, daß Sally keinen Widerspruch einlegte.
    Ellen Saler schaute zu, wie ihre Tochter über das glatte Holz der Harfe strich. Schon bei der ersten Berührung schrak Sally zusammen. Allerdings nicht so stark, als daß es von ihrer Mutter bemerkt worden wäre. Mehr innerlich zuckte sie, denn sie glaubte, etwas, das tief im Holz steckte, wäre auf sie übergegangen.
    Es war eine Strömung, man konnte sie auch mit dem Begriff Leben umschreiben. Sallys Hände mit den langen Künstlerfingern machten sich selbständig, ohne daß diese Bewegungen vom Gehirn gesteuert wurden. Sie strich über das Holz, der Harfe, als wäre es die Haut eines Geliebten. Die Lippen des Mädchens hatten sich zu einem Lächeln gekräuselt, seine Augen bekamen einen ungewöhnlichen Glanz, und der Blick war irgendwie nach innen gekehrt.
    »Wie gefällt es dir, Kind?« Die Stimme der Mutter hörte sich an, als würde sie Sally aus weiter Ferne erreichen.
    Sie hob den Kopf.
    »Nun?«
    »Ich… ich weiß es noch nicht, Muni. Es ist so anders, verstehst du das?«
    »Nein.«
    »Anders als die Instrumente, die ich sonst berührt und gespielt habe. Die Harfe muß einfach etwas Besonderes sein.«
    »Für dich vielleicht…«
    »Nicht allein für mich, Muni. Sie ist etwas Besonderes. Anders als sonst, glaub mir.«
    Ellen Saler sah die Sache nicht so kompliziert. Sie hob die Schultern an.
    »Wenn du das sagst, Kind, muß ich dir wohl glauben.«
    »Ja, das mußt du.«
    »Willst du nicht spielen?«
    Sally hatte die Frage verstanden und schaute hastig hoch, als hätte ihre Mutter etwas Schlimmes von ihr verlangt. »Ich… ich soll die Harfe zupfen, Mum?«
    »Natürlich.« Ellen Saler breitete die Anne aus. »Dafür ist sie schließlich da. Ich habe sie dir nicht geschenkt, damit du sie nur ansiehst und ansonsten hier herumstehen läßt.«
    Sally nickte. »Sie lebt«, sagte sie plötzlich. »Ich werde den Eindruck nicht los, als würde sie leben.«
    Ihre Mutter lachte. Es klang unecht. »Aber Kind. Wie kann eine Harfe leben?«
    »Das weiß ich auch nicht!« flüsterte Sally.
    »Dabei hast du nicht einmal auf ihr gespielt. Bereite mir die kleine Freude, spiele ein Lied, oder zupfe die Saiten einfach nur an. Aber steh bitte nicht so herum.«
    »Natürlich, Mum.« Sally holte sich einen Stuhl und rückte ihn dicht an das große Instrument. Bevor sie mit den Fingern die Saiten anzupfte, bewegte sie die Hände und machte sie geschmeidig. Ellen Saler hatte sich inzwischen gesetzt. Sie hockte gespannt auf einer Sesselkante und konnte ihren Blick nicht von der Tochter nehmen, die plötzlich mit dem Spiel begann.
    Sehr vorsichtig zupfte sie die Saiten an, sie schlug den ersten Akkord. Die Melodien schwangen der lächelnden Ellen Saler entgegen. Sally spielte weiter. Ihre Finger zupften ohne Unterlaß an den Saiten, und wieder überkam sie der Eindruck, als wäre gerade diese Harfe etwas Besonderes. Diesmal lag es nicht am Holz, nur an den Saiten, die eine so ungewöhnliche Farbe aufwiesen.
    Wenn sie vibrierten und Sally schräg gegen sie schaute, schienen dünne grünlich schimmernde Wellen ineinanderzufließen und zu einem gläsern wirkenden Wasser zu werden.
    Sally berauschte sich am Klang der Harfe. Es war etwas völlig anderes als sonst. Sie kam sich vor, als hätte sie das Instrument schon immer gespielt. Es war zu einem Teil ihrer selbst geworden, und sie konnte einfach nicht aufhören. Eine Melodie folgte der anderen. Klassische Werke, aber auch Frühlingslieder, die glockenhell in den oberen Tonlagen ihren Weg durch das Haus nahmen.
    Ellen hörte andächtig zu. Sie hielt die Augen geschlossen, lauschte den Klängen, den Melodien.
    »Wunderbar«, flüsterte sie immer wieder. »Es ist einfach wunderbar…«
    Noch ließ sich die Frau Zeit, erst Minuten später öffnete sie die Augen, da spielte Sally noch immer.
    Nur hatte sie sich verändert.
    Ihr Gesichtsausdruck zeigte weder Entspannung noch
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