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Der Angeklagte: Thriller (German Edition)

Der Angeklagte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Autoren: John Lescroart
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Saint Francis Wood getroffen, das deutlich gediegener war als Janices beengtes Stuck-Häuschen bei den Avenues, zwanzig Häuserblöcke nördlich von hier. Wenn man die beiden Frauen reden, klat schen, scherzen und manchmal auch singen hörte, wäre höchstens einem sehr aufmerksamen Beobachter aufgefallen, dass Janice an der Diskrepanz ihrer weltlichen Besitztümer wirklich zu knabbern hatte.
    Janice Durbin war schließlich vier Jahre älter, hatte eine bessere Ausbildung, war beruflich engagierter und obendrein auch die Hübschere. Nichtsdestotrotz musste sie manchmal plötzlich aufkommende Neidgefühle im Keim ersticken, wenn sie – wie heute wieder – mit dem materiellen Wohlstand ihrer Schwester konfrontiert wurde. Da war die aufwendig renovierte Küche mit den Toskanakacheln, der riesige Luxuskühlschrank, der Profiherd – gebürsteter Edelstahl, wohin das Auge blickte.
    Während ihrer düsteren Phasen, die sich in jüngster Zeit gehäuft hatten, fragte sich Janice durchaus, warum Kathy all dies in den Schoß gelegt wurde, womit sie es wirklich verdient habe. Hatte es wirklich nur mit Glück zu tun?
    Denn es war ja nicht nur der ganze Krempel hier – auch wenn’s davon mehr als reichlich gab: Möbel, Kleider, Schmuck. Aber darüber hinaus war Kathys Leben einfach so leicht, so problemlos, so heiter und gelassen. Sicher, die Gründe dafür lagen auf der Hand: Sie hatte bei der wichtigsten Entscheidung ihres Lebens den Nagel genau auf den Kopf getroffen und Chuck Novio geheiratet, einen Professor für Amerikanische Geschichte. Er war fraglos einer der talentiertesten Männer, denen Janice je begegnet war. Kathy hatte ihn sich gleich geangelt, als er an die State University berufen wurde und von der Ostküste nach San Francisco gezogen war. Er verfügte über eine messerscharfe Intelligenz, war groß gewachsen, athletisch, witzig – und strahlte obendrein eine innere Ruhe aus, die auf Kathy ebenso abfärbte wie auf Sara und Leslie, ihre wohlerzogenen 12-jährigen Zwillingstöchter.
    Es lag nur an diesem ständigen Vergleich, dass Janice Phasen von Selbstmitleid durchlief, die wiederum ihren sporadisch auftauchenden Minderwertigkeitskomplexen neue Nahrung gaben. Sie kannte sich mit diesen mentalen Mechanismen bestens aus – schließlich war sie selbst Psychiaterin. Im wirklichen Leben war sie auch alles andere als eine Versagerin, das wusste sie nur zu gut. Und ebenso wenig traf das auf Michael, ihren Mann, und ihre Kinder Jon, Peter und Allie zu. Es war nur … Michael leitete eine UPS -Niederlassung auf der Union Street, und der Stress laugte ihn aus und ließ ihn manchmal älter wirken als die einundvierzig Jahre, die er tatsächlich war. Und die Kinder waren inzwischen alle auf der Highschool – drei Teenager sind gewöhnlich für die häusliche Harmonie nicht gerade förderlich.
    Janice stand vor dem Spülbecken und ließ das Wasser über ihre Hände ins Sieb mit den geschälten Kartoffeln laufen. Durchs Fenster sah sie, wie Chuck, Michael und die Jungs in der untergehenden Sonne Football spielten. Sie schaute für einen Moment regungslos zu und seufzte dann.
    »Janice? Ist alles okay?«
    »Ja«, antwortete sie ihrer Schwester. »Alles bestens. Ich hab ihnen nur beim Spielen zugeschaut. Sie werden so schnell erwachsen, die Jungs. Fällt dir das nicht auch auf?«
    »Das ist lustig.« Kathy kam herüber und stellte sich neben sie. »Dir fällt auf, wie schnell deine Söhne erwachsen werden, mir fällt auf, wie jung unsere Männer bleiben. In vielerlei Hinsicht sind sie noch immer Jungs.«
    »Das ist vermutlich die gesündere Sichtweise.«
    »Ich weiß nicht, ob es nun gesünder ist, aber in jedem Fall empfinde ich es so.«
    »Es ist gesünder, glaub mir.« Sie drehte das Wasser ab und stützte sich mit beiden Armen auf das Spülbecken.
    Kathy berührte sie am Arm. »Bist du wirklich okay?«
    Janice schüttelte den Kopf. »Es war einfach nur eine lange Woche.« Sie richtete sich auf. »Tut mir leid. Ich bin einfach heilfroh, dass wir hier sind und für eine Weile aus unserem Haus rauskommen. Und Dinner am Sonntagabend ist immer was Besonderes. Ich möchte kein Spielverderber sein.«
    »Das bist du auch nicht.«
    »Na ja, die rosarote Brille hab ich auch nicht gerade auf.« Sie schaute wieder nach draußen. »Ich sollte schon froh sein, dass Michael überhaupt mit Chuck und den Jungs da draußen ist. Die ganze letzte Woche war er wie paralysiert. Und in unserem Haus, wo sowieso alle so dicht aufeinander
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