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Der amerikanische Patient

Der amerikanische Patient

Titel: Der amerikanische Patient
Autoren: Braml Josef
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denen Republikaner wie Demokraten bedacht werden. Aber auch das Wahlsystem selbst hält Möglichkeiten bereit, einzelnen Interessen mehr Gewicht zu verleihen und damit die wirkliche, landesweit vorherrschende Interessenlage zu verzerren. Da jeder Bundesstaat ungeachtet seiner Größe und Einwohnerzahl durch zwei Senatoren in Washington repräsentiert wird, haben bevölkerungsreiche Staaten – die verstärkt Umweltbelastungen verspüren – ein vergleichsweise geringeres Gewicht in der nationalen Gesetzgebung als ländliche Staaten mit weniger Einwohnern. Aus ökonomischen Gründen sind die meisten Landwirte gegen Umweltauflagen und gelten als verlässliche Alliierte der Öllobby. Im Notfall können Senatoren nach der Geschäftsordnung missliebige Vorlagen auch per filibuster, sprich Dauerreden, blockieren, sofern keine qualifizierte Mehrheit von 60 Stimmen den Redestau aufhebt.
    All dies hat dazu geführt, dass im politischen Entscheidungsprozess der USA bisher keine Reaktion auf sicherheitspolitische, wirtschaftliche und ökologische Risiken erfolgte und die Öllobby sich stets durchsetzte. Was, so fragt man sich, müsste geschehen, damit die amerikanische Energiepolitik endlich diesen ausgetretenen, ins Verderben führenden Pfad verlässt?
    Chancen für einen Kurswechsel
    In den Bundesstaaten, allen voran Kalifornien, wurde längst Reformdruck erzeugt. Mittlerweile gibt es in mehr als der Hälfte der 50 Bundesstaaten energie- und umweltpolitische Reformvorstöße. 5 Diese Vielfalt erschwert den Unternehmen das Wirtschaften, das Planungssicherheit voraussetzt. Die Vertreter der Wirtschaft sind daher daran interessiert, dass auf Bundesebene einheitliche Standards und Gesetze erlassen werden, die ihren Interessen Rechnung tragen.

    Darüber hinaus hat eine Entscheidung des Obersten Gerichts dafür gesorgt, dass die nationale US-Regierung Emissionsgrenzwerte festlegte. Mit ihrem Urteil im Fall Commonwealth of Massachusetts et al. versus Environmental Protection Agency et al . forderte die Richtermehrheit des Supreme Court am 2. April 2007 die staatliche Umweltbehörde (Environmental Protection Agency , EPA) auf, den CO 2 -Ausstoß zu regulieren. Die obersten Richter entsprachen damit dem Antrag mehrerer Bundesstaaten und Umweltgruppen, die dies von der Bush-Administration gefordert hatten.
    Damit sind keineswegs alle Umweltübel behoben. Die Ozongrenzwerte wurden bisher nicht landesweit gesenkt, weil die Obama-Administration sich im September 2011 dagegen entschied aus Angst, es könnten weitere Arbeitsplätze gefährdet werden. Wieder einmal hatten die Ölindustrie und einige Wirtschaftsverbände mit einer medienwirksamen Kampagne Erfolg. Während viele Umweltorganisationen, darunter auch liberale Basisorganisationen wie MoveOn.org , die Obama im Wahlkampf mit viel Begeisterung unterstützt hatten, darüber enttäuscht waren, lobten Wirtschaftsvertreter wie Karen Harned, Executive Director der National Federation of Independent Business’s Small Business Legal Center, den Präsidenten für seine Einsicht, »dass es der denkbar schlechteste Zeitpunkt gewesen wäre, solch belastende Regulierungen zu implementieren«. 6 Die Regierung rechtfertige ihre Entscheidung mit dem Hinweis, dass 2013 – also nach den Kongress- und Präsidentschaftswahlen – ohnehin die alle fünf Jahre stattfindende Überprüfung der Luftreinhaltestandards fällig sei.
    Der von den Bundesstaaten ausgehende Reformdruck und die zu erwartenden nationalen Auflagen für CO 2 -Emissionen haben umsichtige Unternehmer längst dazu veranlasst, sich an die Spitze der Reformbewegung zu setzen, um deren Richtung in ihrem Sinne zu beeinflussen. In der U.S. Climate Action Partnership (USCAP) haben zum Beispiel Automobilhersteller wie General Motors in Kooperation mit Umweltverbänden den Gesetzgebern geholfen, innovations- und technologieorientierte Lösungen durchzusetzen.

    Die amerikanischen Automobilhersteller sind in technischer Hinsicht von ihren Wettbewerbern längst überholt worden. Sie haben Marktanteile an Konkurrenten verloren, die kraftstoffsparende Fahrzeuge oder Hybridautomobile mit verschiedenen Antrieben oder Kraftstoffen entwickelt haben. Um den Marktvorteil der ausländischen Hybridfahrzeuge auszugleichen, setzen die »Großen Drei« – Chrysler , Ford und General Motors  – vor allem auf Flexible Fuel Vehicles , kraftstoffflexible Fahrzeuge, die sowohl mit reinem Benzin als auch mit verschiedenen ähnlichen Kraftstoffen wie
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