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Der amerikanische Patient

Der amerikanische Patient

Titel: Der amerikanische Patient
Autoren: Braml Josef
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wirtschaftliche Erholung. Woher kann die Kaufkraft bei hartnäckig hoher Arbeitslosigkeit kommen, wenn – wie bei der letzten Anhebung der Schuldenobergrenze vereinbart – der Schuldenabbau in erster Linie durch die Kürzung von Sozialleistungen und anderen nachfragewirksamen Ausgaben des Bundes und der Bundesstaaten erfolgen soll? Im Vergleich zu anderen hochindustrialisierten Ländern ist in den USA die Umverteilung in Form von Arbeitslosengeld und Sozialabgaben recht gering. 1 Das hat zur Folge, dass immer mehr Amerikaner immer weniger kaufen können, weil das Konsumieren auf Pump nicht mehr möglich ist.
    In dieser misslichen Lage müssen die USA obendrein die in den letzten Jahrzehnten angehäuften Schuldenberge abbauen, um ihre Kreditwürdigkeit aufrechtzuerhalten. Die inländische Sparquote trägt wenig zur Beseitigung des Problems bei, da sie traditionell niedrig ist und viele private Haushalte sogar hoch verschuldet sind. Und so wird der Staat seine Ausgaben umso drastischer senken müssen, je weniger das Ausland fähig oder bereit ist, Amerikas Staatsschulden zu finanzieren.
    Das trifft auch die Politik, die keinen finanziellen Handlungsspielraum mehr hat für weitere Wirtschaftsförderprogramme. Spätestens im Sommer 2011, als die heftigen Auseinandersetzungen um die Anhebung der Schuldenobergrenze Amerika erschütterten, wurde deutlich, dass das politische System blockiert ist. Sollte der Präsident versuchen, die Wirtschaft mit kreditfinanzierten Ausgaben anzukurbeln, wird er am Kongress scheitern, denn dort verhindern
die libertären, staatsfeindlichen Repräsentanten der republikanischen Tea-Party -Bewegung die Kreditaufnahme, unterstützt von den fiskalkonservativen Demokraten, den Blue Dogs . Auch in der Handelspolitik sind dem Präsidenten bis auf Weiteres die Hände gebunden. Er wird kein Mandat für Freihandelspolitik erhalten – falls er diesen Machtkampf mit dem Kongress überhaupt wagen sollte.
    Bei dieser finanz- und handelspolitischen Blockade bleibt die US-Notenbank die einzige handlungsfähige Institution. Amerika versucht, sich aus der Schuldenfalle zu befreien, indem es durch seine Notenbank jene Staatsanleihen aufkaufen lässt, die über den Markt von ausländischen Investoren nicht mehr bedient werden. Dieses Vorgehen wird beschönigend als »quantitative Lockerung« bezeichnet. In Wahrheit druckt man neues Geld. Die internationale Leitwährung Dollar gerät dadurch unter Druck, wird also abgewertet. Das hat zwei Nebeneffekte, die aus amerikanischer Sicht durchaus willkommen sind: Amerika kann sich einerseits eines Großteils seiner Schulden entledigen, andererseits verbilligen sich seine Exportwaren und sind damit wieder mehr gefragt.
    Selbst wenn die Strategie, den Dollar zu schwächen, kurzfristig erfolgreich sein sollte, bleiben die langfristig grundlegenden Strukturprobleme der US-Wirtschaft bestehen. Die USA haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Industrieproduktion dahinsiechen lassen und sich zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt, die sich auf Finanzdienstleistungen spezialisiert hat. In diesem Sektor gab es viele begrüßenswerte Innovationen, leider aber auch einige, die in die Wirtschafts- und Finanzkrise geführt haben. Während man sich in Amerika am Aufschwung im Dienstleistungssektor erfreute, blieben die weniger beweglichen Europäer dem Produktions- und Industriegewerbe verhaftet, was durchaus vernünftig war. Mittlerweile müssen die Verantwortlichen in Amerika einsehen, dass es sich rächt, wenn man die Produktion vernachlässigt.
    Amerika muss wieder produzieren. Mit dem Green New Deal will Präsident Obama sowohl Arbeitsplätze schaffen als auch die binnenwirtschaftlichen wie außenpolitischen Kosten und Risiken
senken. Dazu wurde der Wirtschaft zunächst eine Ölentzugskur verordnet. Amerikas Ölverbrauch muss drastisch reduziert werden, da die hohen Ölpreise die Wirtschaftskraft Amerikas lähmen und dessen außenpolitische Handlungsfähigkeit einschränken, weil die dafür erforderlichen Mittel nicht mehr aufgebracht werden können. Die weltweite Sicherung der vitalen Interessen Amerikas – dem mit dem aufstrebenden China ein mächtiger Konkurrent erwachsen ist – macht das nicht leichter.
    Zwar wird in absehbarer Zeit die Militärmacht, die so genannte harte Macht der USA, unangefochten bleiben, denn kein anderes Land der Welt verfügt über annähernd so viel militärische Schlagkraft wie die Supermacht. Doch diese Ausrüstung ist in den
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