Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
Vom Netzwerk:
den USA und später in der Konföderation mit ihnen verderben wollte, hielt man in Washington und Richmond an der einmal getroffenen Entscheidung fest.
    Der andere Passus der Verfassung, der sich indirekt mit der Sklaverei beschäftigte, war demgegenüber weitaus kontroverser. Artikel I, Sektion 1 bestimmte nämlich, daß die Anzahl der Wahlberechtigten sowie die davon abhängige Zahl der Abgeordneten des Repräsentantenhauses zu bestimmen sei, indem man zur Gesamtzahl der freien Personen drei Fünftel der in einem nicht befristeten Dienstverhältnis stehenden Personen, unter Ausschluß der Indianer, addierte. Das besagte nichts anderes, als daß die Sklaven in den Südstaaten zwar nicht wählen durften, aber zu 60 Prozent zu den Wahlberechtigten ebendieser Staaten hinzugezählt wurden. Für den Süden war dies wichtig, da er auf diese Weise neben der stets angestrebten Parität im Senat auch im Repräsentantenhaus überrepräsentiert blieb, was auf politischer Ebene zu einer dauerhaften Dominanz des Südens im Washington der Antebellumära führte. Im Norden jedoch sah man in dieser Bestimmung eine unmoralische Ungerechtigkeit, welche zudem die wirtschaftlichen Interessen der freien Staaten berührte. Hier waren weitere Konflikte vorprogrammiert.
    Aus ethischer Perspektive war die letzte der drei Verfassungsbestimmungen am dramatischsten, da Artikel IV, Sektion 2 es wiederum in verklausulierten Worten verbot, geflohene Sklaven aufzunehmen. Alle Einzelstaaten wurden verpflichtet, Flüchtlinge wieder an die vorigen Besitzer auszuliefern. Anfangs regten sich nur wenige Amerikaner darüber auf, da die Heiligkeit und Unantastbarkeit des Privateigentums zu den liberalen Gründungsdogmen der Union zählten. Dennoch häuften sich seit den 1840er Jahren Fälle, in denen sich zum Teil empörende und unmenschliche Szenen in amerikanischen Großstädten abspielten, wenn südstaatliche Sklavenjäger, manchmal ohne klarenBeweis der Eigentumsverhältnisse, auf offener Straße weinende Frauen und schreiende Kinder gefangennahmen. Mitunter kam es zu Selbstmorden ganzer Familien. Angesichts dieser Tragödien tendierten selbst Sympathisanten des Südens dazu, diese Verfassungsklausel für amoralisch und obsolet zu halten, was umgekehrt die südlichen Sklavenhalter empörte, die sich um ihr Eigentum betrogen sahen. Wie immer detailliert oder vage die Verfassung mit der Sklavenproblematik umging, vieles blieb schlicht ungelöst und bot somit hinreichend Stoff für eine fast obsessive Beschäftigung mit der Thematik.
3. Das Haus zerfällt:
Der Konflikt um die Sklaverei seit 1820
    Der historische Zufall fügte es, daß ausgerechnet am 4. Juli 1826 binnen weniger Stunden der zweite und der dritte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Thomas Jefferson und John Adams, starben. Mit ihnen verließen zwei Heroen der Revolutionszeit die politische Bühne, nur ein Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, Charles Carroll of Carrollton, lebte noch. Die Gründerzeit der USA ging für jeden sichtbar zu Ende, zumal auch von den Verfassungsvätern nur noch James Madison, inzwischen ein überzeugter Nationalist, und der zum Nihilismus tendierende ironische Skeptiker John Randolph aus Virginia am Leben waren. Aber hatten die Revolutionäre von 1776 wirklich ein gut bestelltes Haus hinterlassen? Auf den ersten Blick sah es gar nicht übel aus. Nach einigen Schwierigkeiten hatten die USA sich eine brauchbare Verfassung gegeben, sie expandierten nach Westen, zeigten eine ungeahnte wirtschaftliche Überlebensfähigkeit und hatten sogar einen weiteren Krieg mit Großbritannien vergleichsweise unbeschadet überstanden. Aber bereits der zweite Blick deutete erste Sollbruchstellen an. Wie in Europa und anderen Teilen der Welt schien das vorgeblich eherne Gesetz des Fortschritts auch die USA zu nötigen, sich aus der bunten Vielfalt traditionaler, vormoderner und frühneuzeitlicher Lebensformen in die starren Zwänge und Konformitäten des liberalen und kapitalistischen Nationalstaates zu begeben. Diesekulturelle, politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation vom Primat des Partikularen zur Universalität des Einheitsstaates vollzog sich in aller Regel gewalttätig. In den USA jedoch, und dies lehrte dann der dritte Blick, trat eine spezifische Differenz hinzu, die ansonsten nur noch Brasilien, Kuba und Teile Afrikas aufzuweisen hatten: die Sklaverei. Es war die Sklavenfrage und sonst nichts, die dem binnenamerikanischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher