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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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Konflikt ihren unübersehbaren Stempel aufdrückte; sie war das innere Prinzip der Entwicklung, das alles andere überformte. Nach 1865 und bis heute haben verspätete Anhänger der Konföderation ebenso hartnäckig wie lautstark behauptet, der Bürgerkrieg sei ein Kampf für die Freiheit der Einzelstaaten gewesen, was gewiß nicht völlig falsch ist. Aber damit gingen sie hinter die zuweilen brutale Offenheit ihrer Vorväter zurück, die ganz ungeniert zugaben, daß der
War between the States
, wie man ihn allerorten bis in die 1980er Jahre nannte, sich um die
peculiar institution
, die besondere Institution des Südens, drehte. Das aber war die Sklaverei und nichts anderes. Dies bedeutete freilich keineswegs, daß die aus dem Unterschied von Sklavenhalterwirtschaft und kapitalistischer Ökonomie beruhenden Differenzen zwischen Nord und Süd ausschließlich trennend gewesen wären. Es gab tiefgreifende Divergenzen zwischen den Interessen des Finanzkapitals in Philadelphia und vor allem New York einerseits und denen der jungen Industrien Neuenglands. Während die Mittelatlantikstaaten vom Sklavenhandel profitierten, sahen viele Industrielle, ganz wie die freien Farmer des Mittleren Westens, in der Sklaverei primär eine Konkurrenz. Entsprechend sympathisierten viele Bewohner von Philadelphia und New York mit der Sklaverei, während die neuenglischen Eliten ihr kritisch gegenüberstanden.
    1850 lebten rund 3,6 Millionen Schwarze in den USA. Sie machten 15,7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, und der ganz überwiegende Teil davon waren Sklaven, die zumeist im Süden der USA lebten. Nur New York, New Jersey und Ohio verfügten über größere Populationen freier Schwarzer. In vielen Bundesstaaten des Nordens und Westens, so zum Beispiel in Illinois oder Indiana, war der Zuzug von Schwarzen entweder ungern gesehenoder gesetzlich verboten. Rassismus war beileibe kein Alleinstellungsmerkmal des amerikanischen Südens. Das Bild der Sklaverei war von der Parteien Haß und Gunst bestimmt. Während südstaatliche Sklavenhalter und ihre Unterstützer gerne erklärten, die Schwarzen seien wie Kinder und müßten in einem paternalistischen System mit einer gewissen Strenge erzogen und behütet werden, beschrieben Abolitionisten den Süden wortreich und mit moralischem Pathos als eine Stätte des Grauens, in der peitschenschwingende Herren ihre männlichen Sklaven mißhandelten und ihre Sklavinnen vergewaltigten, um auf diese Weise den menschlichen Nachwuchs für ihre wirtschaftlichen Interessen zu erhalten. Das propagandistische Bild der Abolitionisten kam in vielen Fällen der Realität näher als die idyllischen Schilderungen der Sklavenhalter, die aber häufig durchaus ernst gemeint waren. Viele
master
und
mistresses
sahen in ihren Sklaven Mitglieder ihrer
familiy black and white
. Oft genug durften Sklavenkinder mit den Kindern ihrer Herrschaft spielen, ehe sie dann auf die Felder geschickt wurden. Manche Haussklaven erfreuten sich eines außerordentlich privilegierten Status, ebenso die Kutscher, die für die Kommunikation der Sklaven zwischen den verschiedenen Plantagen sorgten und nicht selten als christliche Prediger fungierten. Aber die Verteidiger der Sklaverei übersahen, wie sehr das System als Ganzes die zwischenmenschlichen Beziehungen im Süden korrumpierte und wie verlogen der Anspruch auf Erziehung und paternalistische Familiarität waren, wenn am Ende nichts stand als permanente Unfreiheit, das Verbot, Lesen und Schreiben zu lernen, und die Gefahr, daß Familien willkürlich und aus reinem Streben nach Profitmaximierung auseinandergerissen werden konnten. Hinzu kam, daß es in den USA, anders als in den katholischen Ländern mit Sklaverei in Lateinamerika, kaum eine Möglichkeit gab, sich freizukaufen oder freigelassen zu werden. Die Amerikaner hatten sich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts diese Chance eines friedlichen Übergangs verbaut, indem sie nach einer Serie kleinerer Sklavenrevolten die gesetzlichen Möglichkeiten zur Manumission drastisch einschränkten und dies durch einen organisch-essentialistischen Rassismus ideologisch abstützten.
    Der Protest gegen die Sklaverei setzte erst spät ein und blieb selbst im Norden durchweg Sache einer winzigen, radikaler werdenden Minderheit. Der Abolitionismus war im England des aufgeklärten 18. Jahrhunderts entstanden, als ein gemeinsames Projekt liberaler, philanthropischer Mittelklassenreformer und der Quäker. Von dort aus schwappte er binnen weniger
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