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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
Autoren: Aufbau
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passten immer zueinander und bestätigten die Aktenaufzeichnungen. Schließlich gab ich auf und reiste nach Polen und Chełmno, um mir einen Eindruck davon zu verschaffen, was er angerichtet hatte. Aber es gab nichts zu sehen.
    Und so endete mein Krieg: mit einer Zigarette auf einem Feld voll Nichts.

3
    Das Polizeihauptquartier im Criminal Justice Complex befand sich in der Innenstadt und weit außerhalb des Gebiets, das mir als Autofahrer normalerweise noch genehm ist, aber auf dem Weg dorthin musste ich nur der Poplar Avenue folgen, immer geradeaus, und deshalb stieg ich in den Wagen und fuhr los.
    Das Verbrechen war eine Wachstumsindustrie in der Stadt Memphis, und im CJC hatte man alle Hände voll zu tun, Menschen hinter Gitter zu bringen. Das hatte sich in den fünfunddreißig Jahren, die ich jetzt bereits den Ruhestand genoss, nicht verändert. Aber vieles schien auch neu. Die Junkies und Strolche, die von Polizisten durch die Flure geleitet wurden, schienen mir jünger, aber auch grobschlächtiger und fieser zu sein als zu meiner Zeit. Sie hatten deutlich mehr Tätowierungen als die, die ich kannte, und unter ihnen waren mehr Mexikaner als früher. Die Beamten sahen ebenfalls jünger aus, und eine größere Zahl von ihnen war schwarz.
    Die Veränderungen brachten mich etwas aus dem inneren Gleichgewicht, aber ich setzte auf die Macht des Fortschritts. Mit meinen Schnüfflerqualitäten hatte ich 1973 ganz vorn gelegen, aber ich war absolut ahnungslos, wie ich mit einem Computer einen flüchtigen Nazi aufspüren sollte.
    Ich fragte mich, ob Tequila Recht hatte, wenn er meinte, wir könnten Ziegler mit Hilfe von Datenbanken finden. Ich wurde allwöchentlich in den Reality-Krimiserien Zeuge, wie diese Dinger überraschende und entscheidende Informationen ausspuckten, aber das kam mir eher vor wie ein Winkelzug, ein dramaturgischer Kunstgriff, damit die Cops den Killer in fünfzigMinuten einschließlich Werbung erwischten. Ganz gewiss wurde es der Polizei nicht so leicht gemacht. Andernfalls wären die Kriminellen allesamt arbeitslos.
    Im Einsatzraum setzte ich mich auf eine Bank neben einen Teenager in Handschellen, der sich ein »Tribal«-Muster auf Gesicht und Hals hatte tätowieren lassen, ohne damit seine Aknenarben verdecken zu können. Ich wartete lange genug, um drei Luckies aufzuschmauchen, bevor ein junger Beamter mich fragte, weswegen ich da sei. Er war ein weißes Kerlchen, vielleicht fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, aber bereits übergewichtig und fast schon kahlköpfig. Ich bat darum, mit einem halben Dutzend Leuten sprechen zu dürfen, die noch ziemlich grün hinter den Ohren gewesen waren, als ich ging. Leute, von denen ich annahm, dass sie noch bei der Stange waren. Aber sie waren alle entweder tot oder im Ruhestand, und daher trug ich dem Jungchen auf, mich zu jemandem im Morddezernat zu schicken.
    »Ich ruf da jetzt an und frage, ob jemand mit Ihnen sprechen kann«, sagte er. »Um welchen Fall geht es denn?«
    »Oh, ich möchte nur mal sehen, ob ihr Jungs mir helfen könnt, aus dem Polizeicomputer ein paar Informationen abzurufen. Und vielleicht könnte ich mir auch ein paar alte Polizeifotos ansehen. Ich war auch mal Cop.«
    Er nahm den Telefonhörer zur Hand. »Sie haben einen Namen, Officer?«, fragte er mich.
    »Ich bin Detective im Ruhestand Baruch Schatz.«
    »Baruch?«
    »Ja. Das ist jüdisch.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Moment, Sie sind doch nicht Buck Schatz, oder?«
    »So nennt man mich.«
    Seine gestrenge Polizistenmiene verwandelte sich in ein breites Grinsen. »Ach, du heilige Scheiße, Mann, Sie sind doch ’ne Legende. Ich glaub’s ja nicht, dass Sie immer noch leben!«
    Ich verdrehte die Augen. »Geht mir an vielen Tagen auch nicht anders.«
    Der Knabe drehte sich zu einem schwarzen Cop um, der hinten im Raum an der Kaffeemaschine hantierte. Er rief: »Yo, Andre? Rate mal, wer der alte Motherfucker hier ist!«
    »Dein neuer Boyfriend?« Andre war ein bisschen größer als der Junge am Schreibtisch und auch besser in Form. Seine Zähne waren gerade und seine Haare kurz geschoren.
    »Es ist Buck Schatz.«
    »Verarsch mich nicht, du verdammter Lügner.«
    »Ist nicht gelogen. Verarsch dich doch selber.«
    Nicht alles hatte sich verändert. Die Cops redeten noch ziemlich genauso wie eh und je: Keiner würde es wagen, von einem Mann mit einer Knarre zu verlangen, seine Zunge zu hüten.
    Sie baten darum, jemanden vom Morddezernat ausrufen zu lassen, der kommen sollte, um mit
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