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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
Autoren: Aufbau
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Medikamenten vollgepumpten Wallaces der Welt gemein haben würde.
    »Wenn Ziegler noch lebt, könnte ich dem Leid, das auf ihn zukommt, nicht viel Schmerz hinzufügen.«
    »Schätze, das leuchtet ein«, sagte Tequila. Aber ich erkannte an seinem Tonfall, dass es ihm nicht besonders einleuchtete. Er klang angespannt, und ich stellte mir vor, dass er am anderen Ende der Leitung das Telefonkabel um seine weißen Knöchel wickelte. Dann fiel mir ein, dass Telefone heutzutage kabellos waren.
    »Versteh mich nicht falsch; ihn zu bestrafen, könnte durchaus guttun. Aber auf dem Sofa zu sitzen, tut auch ziemlich gut. Und das Sofa steht in meinem Wohnzimmer, während Ziegler, sollte er tatsächlich noch am Leben sein, sich auf diversen Kontinenten befinden könnte. Und ich bin nicht sicher, ob es in Übersee meine Lucky Strikes zu kaufen gibt.«
    Ich brachte es nicht über mich, es laut auszusprechen, aber selbst wenn ich geneigt gewesen wäre, die Sache in die Hand zunehmen, hätte ich vor einem Berg von Hindernissen gestanden. Der Verfolgte war zwar ein Greis wie ich, aber trotzdem konnte ich nicht sicher sein, ob ich der Aufgabe gewachsen wäre, mich auf Verbrecherjagd zu begeben.
    Seit einigen Jahren bin ich nicht mehr so gut zu Fuß. Die Schritte werden kürzer und mühsamer. Auf dem Laufband im Fitnessraum des Jewish Community Center konnte ich erleben, wie mein Tempo zusehends geringer wurde. Ich war bereits runter auf lausige anderthalb Meilen in der Stunde, aber die Leute staunten trotzdem, wie beweglich ich noch immer war.
    Meine Haut war trocken und dünn geworden, in ihrer Struktur beinahe wie Papier. Wenn ich mit dem Arm zu heftig gegen einen Türknauf stieß oder mein Knie gegen einen Nachttisch prallte, handelte ich mir schnell eine Platzwunde ein und vergoss dünnes wässriges Blut auf den Teppich. Ein paar Mal wollte es nicht zu bluten aufhören, und Rose musste mit mir zur Notaufnahme fahren. Und es war ein Leichtes, gegen irgendwelche Sachen zu stoßen, denn meine Sehkraft ließ ebenfalls nach. Ich brauchte eine Brille, um in die Ferne zu sehen, und eine andere zum Lesen. Die Sehtrübung war in gewisser Weise auch ein Segen: Sie ersparte mir die klare Sicht auf die Katastrophenlandschaft aus blauen Flecken und Muttermalen, die meine Arme bedeckten, und federten den Schlag ab, der mich traf, wenn ich mein hohlwangiges und eingefallenes Gesicht im Badezimmerspiegel sah.
    »Dieser Schatz aus Goldbarren, das klingt verlockend«, sagte Tequila.
    »Hör aber mal auf«, sagte ich. »Glaubst du im Ernst, du könntest verlorenes Nazigold finden? Selbst wenn der Kerl 1946 Gold besaß, warum sollte er es nicht mittlerweile ausgegeben haben?«
    »Er ist auf der Flucht. Wenn er versuchen sollte, Gold im Wert von Millionen Dollar in Bares umzutauschen, oder mit Geld nur so um sich werfen würde, hätte er schnell unliebsame Aufmerksamkeit erregt. Ich nehme an, dass er versucht hat, unbemerktzu bleiben, und deswegen kann es ihm gar nicht gelungen sein, den gesamten Schatz aufzubrauchen. Vielleicht ist er aber auch tot, und das Gold liegt irgendwo versteckt und wartet nur darauf, von uns gefunden zu werden.«
    »Toll. Ich kann mir einen Maserati kaufen und mit Tempo dreißig zum Einkaufen fahren. Ich kann in ein schickes Restaurant fahren, wo ich ein Essen, das spät kommt und das ich eh kaum mehr schmecken kann, besonders teuer bezahlen darf.«
    »Du warst wütend auf Wallace, weil er Ziegler davonkommen ließ. Wenn du nicht wenigstens versuchst, ihn zu finden, schaust du doch ebenso weg, wie dein Freund es getan hat.«
    Das gab mir eine Sekunde zu denken. Der kleine Mistkerl hatte einen wunden Punkt getroffen.
    »Ich wüsste keine Möglichkeit, wie ich einen Mann finden soll, der zuletzt 1946 in Deutschland gesehen wurde. Wie soll ich vorgehen? Bei der Polizei aufkreuzen und fragen, ob jemand einen Nazi gesehen hat?«
    »Klar. Warum denn nicht?«, sagte Tequila. »Heutzutage werden Massen von Computerdaten zwischen örtlicher Polizei, den Bundesbehörden und sogar internationalen Diensten ausgetauscht. Wenn Ziegler jemals mit den Bullen zu tun hatte, könnte er in einer dieser Datenbanken der Strafverfolgungsbehörden auftauchen.«
    Es gab noch keine Computer auf dem Polizeirevier, als ich in Pension ging, und ich hatte den Umgang mit diesen Werkzeugen nie gelernt.
    »Meinst du wirklich?«
    »Nein«, sagte er. »Aber selbst das Nichtstun kann langweilig werden, wenn du es zu lange tust. Es schadet doch nicht,
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