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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
Autoren: Aufbau
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Hitze und Feuchtigkeit sorgte. Im Juli schwitzte ich schon ein T-Shirt durch, wenn ich zur Straße ging, um die Zeitung zu holen.
    Als ich den Weg durch den Vorgarten hinaufschlurfte, bemerkte ich zu meinem Missfallen, dass der grüne Rasen kräftig spross und die mehrjährigen Zwiebeln in den Blumenbeeten bereits zaghaft junge Triebe aus dem lehmigen Boden des Südens emporwachsen ließen. Es musste wohl Februar gewesen sein, als ich das letzte Mal hingeschaut hatte. Jedenfalls war der gesamte Garten braun gewesen, und das traf eher meinen Geschmack.
    Als ich den Rasenmäher noch vor mir herschieben konnte, hatte ich mich ums Gras gekümmert. Es war etwas gewesen, dasRose und ich im Freien tun konnten, und gemeinsam. Sie pflegte die Blumenbeete. Unser Garten war der schönste in der Straße, worauf wir stolz waren. Aber seit meiner Bypassoperation hatten wir einen Flüchtling aus Guatemala dafür bezahlt, dass er den ganzen Kram erledigte. Er war ein fleißiger und penibler Mann, und seine Mannschaft leistete gute Arbeit. Ich hasste sein gottverdammtes Durchhaltevermögen und hegte einen tiefen Groll gegen den Rasen. Die Guatemalteken hatten mich ersetzt, und dem Gras war das völlig gleichgültig, es grünte im Frühling wie eh und je.
    Ich pflegte mit dem Rasen zu sprechen, ihm zu schmeicheln und zuzuflüstern, wenn ich mähte und trimmte, düngte und vertikulierte. Als ich meinen Schlüssel im Schloss drehte und Emily rückwärts aus der Auffahrt fuhr, flüsterte ich etwas wie »undankbar«.
    Ich ging in die Küche, schrubbte mir die Hände mit heißem Wasser und spülte eine Multivitamintablette mit einem Glas Orangensaft hinunter. Zum Nachtisch gönnte ich mir eine Zigarette. Rose wusch das Frühstücksgeschirr ab.
    »Wie geht’s Jim?«, fragte sie.
    »Tot.« Ich reichte ihr das Saftglas, und sie füllte nach. »Ich geh mal nachsehen, was es im Fernsehen gibt.«
    Als ich es mir in meiner Mulde auf den Sofakissen gemütlich gemacht hatte, klingelte das Telefon. Rose war noch am Spülbecken beschäftigt, und deswegen ging ich ran.
    »He, Pop.«
    Es war mein Enkel Billy. »Also, wenn das nicht Schwarzbrand ist«, sagte ich. Billy wohnte oben in New York, wo er an der NYU School of Law Jura studierte. Das Institut genoss höchstes Prestige und war unverschämt teuer.
    »Es heißt Tequila. Man nennt mich hier Tequila.«
    Billys vollständiger Name lautete William Tecumseh Schatz, und zwar nach dem bedeutenden Bürgerkriegsgeneral William Tecumseh Sherman. In unserer Familie genoss der Generalhohes Ansehen. Mein Urgroßvater Herschel Schatz kam 1863 aus Litauen nach Amerika, nachdem seine Familie bei einem Pogrom umgebracht und sein Dorf niedergebrannt worden war. Anwerber der Union händigten Herschel seinen Einberufungsbescheid aus, kaum dass er das Schiff verlassen hatte, und er ritt mit General Sherman nach Süden, um Georgia niederzumachen. Jeder männliche Schatz hat seither schon früh gelernt, wie schön es ist, in einem Land geboren zu werden, in dem auch Juden die Fackeln schwingen dürfen.
    Mein verstorbener Sohn Brian hielt es für angemessen, Billy den Namen des großen Mannes zu geben, aber der Junge ging aufs College und schloss sich einer Verbindung an, in der »Tecumseh« zu »Tequila« wurde. Seither war er allzeit nur unter dem Namen Tequila Schatz bekannt. Alle waren stolz auf ihn.
    »Wie kommt es, dass du dich so genannt hast?«, fragte ich ihn.
    »Aus demselben Grund, warum du dich ›Buck‹ nennst«, rief Rose aus dem Nebenzimmer.
    »Sei doch still. Dich hat niemand gefragt«, brüllte ich zurück.
    »Und, bei dir ist so weit alles okay?«, fragte Billy. Immer erkundigte er sich nach unserer Gesundheit. Es war nervtötend wie fast alles, was er tat.
    »Ich bin noch auf den Beinen«, beruhigte ich ihn. »Hab einen ereignisreichen Vormittag hinter mir. Deine Großmutter hat mich ins Krankenhaus geschickt, um meinen alten Kriegskameraden Jim Wallace zu besuchen, und der ist vor meinen Augen gestorben.
    »Tut mir leid«, sagte Tequila.
    »Braucht es nicht. Ich hatte den Kerl ziemlich satt. Über sechzig Jahre hab ich ihn gekannt, und ansatzweise interessanter Gesprächsstoff war ihm schon ausgegangen, als noch Truman regierte. Außerdem stellt sich jetzt heraus, dass er ein mieses Stinktier war. Zumindest muss ich es nicht groß bedauern, dass er von uns gegangen ist.«
    »Was hat er getan, dass du so sauer bist?«, fragte Tequila.
    Ich nahm einen tiefen Zug von meiner Zigarette. »Warum
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