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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition)
Autoren: Heinrich Steinfest
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aber nicht verrät . Ein riesiges Ding eben. Riesig und dennoch verletzlich, zumindest wird diese Verletzlichkeit in einer letzten Einstellung angedeutet, dann, wenn der Name des Regisseurs auf der Leinwand sichtbar wird. Wie bei einer umgekehrten Schöpfung, wo der Name des Schöpfers den Schluß der Schöpfung bildet. Beinahe im Stil eines Geständnisses, einer Reue oder Abbitte. Ein Gott, der sich entschuldigt.
    Das Ende des Vorspanns gleicht dem Tod. Danach kommt das Leben. Aber es ist eben ein gewesenes.

1
    »Oha!«
    Ein Oha! denken oder sagen oder rufen kann eigentlich nur bedeuten, sich in einem Zustand der Verspätung zu befinden. Und damit ist nicht allein die Straßenbahn gemeint, die einem davonfährt. Sondern auch und vor allem die, die auf einen zufährt.
    *
    Als sich das Ding mit rasender Geschwindigkeit näherte, erstarrte ich. Aber was hätte ich tun sollen? Mich wegducken? Fürs Wegducken ging alles viel zu schnell. Fürs Wegducken hätte es einer Vorbereitung bedurft, einer Warnung, einer Regieanweisung. Wobei ich absolut flink sein konnte, sechsundzwanzigjährig, Hürdensprinter, beinahe Deutscher Meister, jedenfalls im Besitz eines Körpers, der einem möglichen Sich-zur-Seite-Biegen, Sich-auf-den-Boden-Werfen nicht im Wege gestanden hätte. Keine selbstverschuldeten Hindernisse auf Hüfthöhe. Keine fettreichen Anhängsel.
    Doch umsonst. Ich war völlig in meiner Fassungslosigkeit gefangen. Eigentlich schon von dem Moment an, als ich den Schwertransporter erblickte, der da die Straße herunterkam und auf dessen Ladefläche sich wahrhaftig ein Wal befand: ein gewaltiger Brocken von Fisch, auch wenn jedes Kind dir sagt, Wale seien keine Fische. Aber mein Gott, genau so schauen sie doch aus. Dieser hier lang wie eine Straßenbahn, aber viel massiver, kastenartig, schwärzlich, der Schädel größer noch als der Rest. Keine Frage, ein Pottwal, so viel Naturkunde hatte ich auch noch intus. Ich konnte mir nicht mal sicher sein, ob der Fisch auf dem Laster tot oder halbtot war oder eher betäubt. Und auf dem Weg wohin? Ins Museum? Ins Aquarium? Nach SeaWorld? – Daß man dort auch schon mit Pottwalen spielen konnte, wäre mir allerdings neu gewesen. Konnten Pottwale, so umständlich groß, wie sie waren, durch Reifen springen? Pirouetten drehen? Schnattern wie Delphine? Ihre schweren Köpfe hochhalten und um kleine Leckerbissen betteln? Autisten heilen? Oder war das, was ich dort auf dem Lkw sah, vielmehr eine Attrappe? Ein Werbegag? Allerdings wirkte das Tier ungemein echt, wie frisch gefangen, als es da keine paar Meter von mir entfernt vorbeikam und ich ihm hinterherglotzte.
    Das war genau so ein Moment, wo man sich gerne fragt, ob man träumt oder wacht. Wobei ich noch gar nicht schlafen gegangen war, sondern die gesamte Nacht in mehreren Bars zugebracht hatte, in die wir von den taiwanischen Geschäftspartnern geführt worden waren. Eigentlich nicht meine Sache, die Sauferei, und daß da immer Mädchen neben dir stehen und dich freundlich anlächeln und ein bißchen Englisch reden, so ein gekichertes Englisch, das aus drei zerschnipselten Wörtern besteht. Dabei sind die Mädchen sicher nicht blöd, eher hat man das Gefühl, selbst blöd zu sein, so wie ein schiefes Gebäude an der Theke zu lehnen und ein Glas nach dem anderen hinunterzukippen
    Sicher, theoretisch hätte man Nein! sagen können.
    Theoretisch hätte man sein Geld auch als Bademeister verdienen können, in der Sonne stehen und gleichzeitig eine Aura der Lebensrettung verströmen. Aber wie viele Bademeister verträgt die Welt?
    Die Wirklichkeit sah so aus, daß ich, ohne darum gebeten, aber auch ohne mich gewehrt zu haben, mit einer von den kichernden Hostessen in einem Hotelzimmer gelandet war. Wo ich mich erst mal ins Badezimmer flüchtete. Dort, auf dem Klodeckel sitzend, den pochenden Schädel zwischen die Hände geklemmt, fiel mir ein, daß ich drüben in Europa verlobt war, nicht einmal ungern verlobt. Gleichwohl galt die Regel, nach welcher Prostituierte nicht zählen. Weil man die ja weder heiraten noch sonstwas Außergeschäftliches von ihnen will. Wer hat schon ernsthaft im Sinn, sich für den Rest der Nacht ganz fest an so ein Mädchen zu schmiegen? Niemand, außer ein paar Romantikern, die davon träumen, eine Hure zu retten.
    Nein, Prostituierte zählen nicht.
    So lautete die Regel, aber es war natürlich keine Regel, die meine Verlobte unterschrieben hatte, sondern eher eine firmeninterne. Darum, weil wir, die
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