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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition)
Autoren: Heinrich Steinfest
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mir noch nie passiert war. Nämlich mit einemmal gänzlich nackt vor einer noch vollkommen angezogenen Frau zu stehen.
    Sie war einen Schritt zurückgetreten, legte den Kopf schräg, blickte mich ungeniert von oben bis unten an und meinte: »Man sieht Ihnen wirklich an, daß Sie über Hürden springen. Hübsch!«
    Ich wollte mich beschweren darüber, wie hier Noten vergeben wurden, einmal abgesehen davon, daß man über Hürden nicht sprang, wie ich bereits ausgeführt hatte, überlegte es mir aber, ging auf Lana zu und nahm sie in die Arme. Ich spürte Jacke und Rock ihres Kostüms auf meiner Haut. Wolle, ein wenig grob, aber nicht unangenehm. Wie bei einem Tier, einem Zebra vielleicht oder einer Giraffe, einem Steppentier jedenfalls.
    So nah und fest an ihr, vernahm ich ihre Stimme an meinem Ohr. Sie wollte wissen: »Stört es Sie, wenn ich angezogen bleibe?«
    Ich schluckte. Wie sollte ich das verstehen? Gleichzeitig wurde mir klar, wie sehr sich jegliche Gegenfrage verbot. Lana hatte mich um etwas gebeten, nicht fordernd, nicht diktierend, sondern durchaus so, wie ein Liebender den anderen Liebenden um etwas bittet, ohne sich erklären zu wollen.
    Und genau darin besteht ja der Sinn der Liebe: keine Erklärungen abgeben zu müssen. Im wirklichen Leben – denn die Liebe ist in der Tat genau das Gegenteil – muß man sich ständig rechtfertigen. Darum wird auch so viel gelogen. Von Kindheit an erscheint das Lügen als ein grundsätzliches Prinzip des wirklichen Lebens. Die Liebe hingegen gipfelt darin, nicht lügen zu müssen. Nicht darum, weil man so ehrlich ist, sondern weil einer den anderen nicht zwingt, die Wahrheit auszusprechen. (Dort, wo es anders ist, ist es keine Liebe, sondern irgendein wackeliger Deal.)
    Klar, ich hätte ob dieses Ersuchens, angezogen zu bleiben, beleidigt sein können. Und war es auch für einen Moment. Dann aber begriff ich den Sinn und begriff, daß Lana mir ja weder den Sex noch ihre Zuneigung versagte, sondern bloß einen Teil ihrer Haut. Dafür konnte es Gründe geben, die mit mir zu tun hatten, aber noch viel mehr Gründe, die nicht mit mir zu tun hatten. Ich sagte: »Bleiben Sie, wie Sie sind.«
    »Danke«, gab sie zurück und küßte mich jetzt mit großer Heftigkeit. Wenn ich das so dramatisch sagen darf: Ich spürte, wie ihr Körper unter mir zu brennen begann. Zusammen mit dem Kostüm, das passenderweise den gleichen flammenden Farbton wie leicht verdünnter Campari besaß. Wobei ich erst jetzt die kleine Brosche aus rotem Glasstein bemerkte. Als verstecke sich ein durchsichtiges Käferchen auf dem Ornat eines Kardinals.
    Ich nackt, sie angezogen, fielen wir gemeinsam aufs Bett. Die Altsteinzeit sich mit der späten Zivilisation verbindend. Ich schob ihr den Rock sachte nach oben, um an ihre Unterwäsche zu gelangen. Aber sie trug keine, was ich weniger schockierend als praktisch fand.

    Ich berührte sie am Geschlecht, zunächst einmal nur die Hand dagegen haltend. Ein kleiner Seufzer drang aus dem Spalt zwischen den weißen Zähnen hervor. Ich löste einen Finger und begann Lana zu massieren. Ich bemerkte, wie sehr es mich erregte, daß sie dieses Kostüm trug, unter dessen Kruste ihr Körper zu ahnen war.
    Ich streckte die Hand aus und griff nach dem Präservativ, das auf dem Kopfpolster lag. Gleich diesen obligaten Willkommenspralinen. – Hatte ich selbst es dort hingetan? Oder Lana, die vorausschauende Medizinerin? Mitunter war mein Gedächtnis ein verrückter Golfplatz. Nun gut, Hauptsache, das Ding lag bereit. Ich riß das Päckchen auf und war bemüht, so geschickt wie möglich die nötigen Handgriffe zu absolvieren. Sodann zog ich Lanas Beine sachte auseinander, nahm die Hürde eines gestreckten Beins und drang in sie ein.
    Keine Frage, als Mann praktiziert man den Sex stets mit dem Gefühl, etwas würde nicht stimmen, gehe zu langsam oder zu schnell, zu heftig oder zu lahmarschig. Die Liebe schließt ja Fehler nicht aus, Ungeschicklichkeiten, daß man Schmerz verursacht, wo man eigentlich ein Glücksgefühl herstellen möchte. Ganz abgesehen von der verdammten Möglichkeit, zu früh zu kommen, sich gleich einem Sechzehnjährigen nicht im Griff zu haben. Man fürchtet, daß einem die Technik versagt. Sich die ganze »Technikgläubigkeit« als Trugschluß erweist.
    Ich nahm die Geschwindigkeit heraus, trabte sachte dahin, schaute nach rechts und links, betrachtete die Landschaft des Zimmers und wurde wirklich ruhiger. Ich dachte daran, sobald ich zurück in
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