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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition)
Autoren: Heinrich Steinfest
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Schmeichler«, kommentierte sie.
    »Übel? Wirklich?«
    »Ja. Aber ich mag Sie trotzdem.«
    »Echt?«
    »Na vielleicht auch nur, weil ich froh bin, mich mit jemandem in meiner Landessprache unterhalten zu können.«
    »Wäre das alles, wäre es traurig. Jedenfalls zuwenig für die Liebe.«
    »Ich dachte, Sie wollen mich heiraten. Von Liebe war keine Rede.«
    Ich sagte ihr, ich würde das gerne verbinden.
    »So maßlos?«
    »Ja, so maßlos«, beharrte ich. Und fragte: »Gefalle ich Ihnen denn? Ich meine, mal so rein äußerlich.«
    »Sie sehen gut aus, das stimmt. Aber bei einem Mann, den man heiraten möchte, muß man sich fragen, ob er auch später noch gut aussieht. Das ist nämlich ebenfalls so eine Sache, die im Gehirn passiert. Obwohl es uns was vorgaukelt, also jemanden, für den wir schwärmen, hübscher aussehen läßt, als er eigentlich ist, neigt das gleiche Hirn leider auch dazu, einen Unsympathler – da kann sein Bauch noch so flach und sein Kinn noch so kantig sein – irgendwann auch unsympathisch erscheinen zu lassen. Da wird dann aus dem Wort kantig das Wort monströs .«
    »Ich bin nicht unsympathisch«, insistierte ich.
    »Sie könnten es werden«, sagte die Ärztin. »Einmal verheiratet, mutiert der Mensch. Man ehelicht einen hübschen Dracula, und nachher hat man einen häßlichen Werwolf.«
    »Merkwürdiger Vergleich.«
    »Traurige Wahrheit.«
    »Waren Sie schon mal verheiratet?« wollte ich endlich wissen.
    »Halten Sie mich denn für so alt?«
    Nun, ich schätzte, sie war wohl ein wenig älter als ich. Vielleicht Anfang dreißig. Jedenfalls alt genug, um bereits eine Scheidung hinter sich zu haben. Ich sagte ihr: »Sie sind eine Frau, die zeitlebens schön sein wird. Niemals ein Werwolf beziehungsweise eine Werwölfin.«
    Sie aber entgegnete: »Das Femininum ist nicht immer passend.« Um dann die Sprache auf etwas anderes zu bringen. »Wissen Sie, was mich am meisten stört?«
    »Ja, was?«
    »Daß man hier nichts zu trinken bekommt. Keinen Wein. Mir gehen diese verdammten Tees, die sie einem ständig servieren, derart auf die Nerven. Ein Glas Rotwein würde mir jetzt wirklich guttun.«
    Ich war etwas enttäuscht. Ich hätte diese Frau nicht für eine Trinkerin gehalten. Zumindest nicht für eine Person, die den Alkohol nötig hatte, um sich wohl zu fühlen.
    Ich fragte: »Genüge ich Ihnen denn nicht?«
    »Was heißt schon genügen? Der Wein nährt das Hirn. Der Tee füllt bloß die Blase. Jedenfalls sollten wir bei unserem nächsten Treffen ein Lokal auswählen, wo’s einen anständigen Wein gibt. Ein Grund mehr, Herr Braun, Sie rasch zu entlassen. Auch, damit ich sehen kann, wie Sie wirken, wenn Sie einen Anzug tragen. Ich glaube, Sie gehören zu denen, die im Anzug gewinnen.«
    »Und worin verliere ich? In der Unterwäsche?«
    »Da verliert ein jeder. Das braucht Sie nicht zu kränken.«
    »Vielleicht ändern Sie noch Ihre Meinung«, sagte ich.
    Dr. Senft lächelte. Und zwar vielversprechend. Möglicherweise war ihr eigenes Gehirn darangegangen, meiner relativen Hübschheit eine sehr viel attraktivere Anmut zu bescheren. Eine Anmut und ein Geheimnis. Sie hatte mich als Patient untersucht und würde mich vielleicht, nachdem sie mich einmal aus dem Krankenhaus entlassen hatte, auch noch als Mann untersuchen wollen.

4
    Ich schlug der Kölner Firmenleitung vor, mich noch einige Tage in Taiwan zu lassen, um einen Termin in Japan vorzubereiten, der demnächst anstand und mir die Möglichkeit geben würde zu beweisen, daß mit mir alles in Ordnung war. Immerhin mußte ich gegen die Befürchtung antreten, in meinem Schädel sei etwas durcheinandergeraten, ich sei ein »vom Wal Geschlagener«. Um so wichtiger, in den kommenden Verhandlungen eine Brillanz zu offenbaren, die jede mögliche Veränderung meiner Hirntätigkeit eher als genial denn als durchgeknallt erscheinen ließe.
    Wichtiger aber war, Dr. Senft wiederzusehen. Diesmal an einem Ort, an dem es auch Wein gab. Weshalb ich sie in ein Restaurant einlud, das ihre eigenen Möglichkeiten vermutlich um einiges überstieg. Freilich erschien sie nun ohne den Ärztekittel, den ich an ihr so gewohnt war. Doch ihre Gestalt, ihr Haar – das Blond nahe am Gelb –, die Ohrringe, die sie zu jeder Zeit zu tragen pflegte, vor allem ihre Art zu gehen, vorsichtig auftretend, als schreite sie über heiße Kohlen, wie diese Yogis, die sich niemals verbrennen, dies alles erfüllte sich in der bekannten Weise.
    Ich hatte bereits am reservierten Tisch
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